09:35

Willkommen im neuen Ergasmus Blog

I'm reading: Willkommen im neuen Ergasmus BlogTweet this!


Auf ein Neues!
Ergasmus ist auferstanden. Aus den Aschen des alten Ergasmus Blogs ersteht ein Phönix ... usw.

Wie gesagt:
Erasmus ist 100% ig in Ergasmus enthalten. Mit Orgasmus gibt es nur eine Überschneidung von Buchstabenmengen. Nämlich RGASMUS.

Ergasmus-Leute sind Leute die statt Orgasmus, Ergasmus schreiben, teils weil sie Flüchtigkeitsfehler, Tippfehler machen oder einfach halt nicht so genau wissen wie manfrau so einen Gasmus schreibt.

-o-o-o-

Und damit sind wir schon beim Schtoff, dem Content

Als ich auf dem Schoß meines Soziologie Professors sitzen durfte hat er mir das alles erklärt wie folgt:

"Das Schamempfinden*, das die sexuellen Beziehungen der Menschen umgibt, hat sich im Prozess der Zivilisation beträchtlich verändert und verstärkt. Die 'Colloqien' des Erasmus von Rotterdam waren berühmte und weitverbreitete Schriften seiner Zeit (1522). Die katholische Kirche bekämpfte sie, aber eine Gegenschrift unterscheidet sich nicht in ihrer Unbefangenheit des Sprechens über sexuelle Angelegenheiten.

Erasmus: "Socrates Philosophiam e coelo deduxit in terras: ego Philosophiam etiam in lusus, confabulationes et compotationes deduxi" (Wie Sokrates die Philosophie vom Himmel auf die Erde gezogen hat, so habe ich die Philosophie auch zu Spiel und Gelage hingeleitet).

Was dem Betrachter des 19. Jahrhunderts als 'gemeinste Darstellung der Wollust' erscheint, ist für Erasmus und seine Zeitgenossen ein Mustergespräch und Wunschbild. Das 16. Jahrhundert wusste nicht viel von Prüderie und legte den Schülern in ihren Übungsbüchern Sätzen vor, für die sich heutige Pädagogen bedanken würden (S. 238).

Erst später entwickelt sich die Tendenz, dass Kinder sich wie Kinder benehmen sollten und dass Triebäußerungen von ihnen fern gehalten werden sollen ('schädlich für das Wachstum').

Zu Erasmus' Zeit wussten die Kinder von den verschiedenen Institutionen. Allenfalls warnte manfrau sie davor. Das tut Erasmus.
Die Mauer der Heimlichkeit, der Erwachsenen selbst, war gering.
Kinder wussten über sexuelle Angelegenheiten Bescheid, der Erzieher sollte richtiges Verhalten zeigen.

1438 wurden Dirnen (Hübscherinnen, die schönen Frauen, gemain Frawen) hohen Gästen zur Begrüßung entgegengeschickt. Die hohen Gäste werden im Frauenhaus frei gehalten.
Das gehörte, wie etwa das Gastmahl zur Bewirtung, die man hohen Gästen bot.
Die Hübscherinnen bildeten eine Korporation mit bestimmten Pflichten und Rechten. Ihre soziale Stellung war niedrig und verachtet, aber durchaus öffentlich und nicht mit Heimlickeit umgeben.

Diese Form der außer ehelichen Beziehung zwischen Mann und Frau, war noch nicht 'hinter die Kulissen' verlegt.

Ein Blick auf die Hochzeitsgebräuche: 'Ist das Bett beschritten, ist das Recht erstritten'. So hieß es im späteren Mittelalter.
Ein anderer Standard des Schamgefühls, als der, der dann im 19. u. 20. Jahrhundert herrschend wird, wo alles was das sexuelle Leben betrifft, in relativ hohem Maße verdeckt und hinter die Kulissen verwiesen wird.
Vorher war die Beziehung der Geschlechter noch in das öffentliche Leben eingebaut und selbstverständlicher, dass auch die Kinder damit vertraut waren.
In der höfisch-aristokratischen Gesellschaft, war das sexuelle Leben schon erheblich verdeckter, als in der mittelalterlichen, dennoch ist die Verdeckung der Sexualität gering und eine größere Unbefangenheit des Sprechens und auch des Handeln im Verkehr mit den Kindern.
Erst allmählich breitet sich dann eine stärkere Scham- und Peinlichkeitsbelastung der Geschlechtlichkeit und Zurückhaltung des Verhaltens über die Gesellschaft hin aus.

Die Sexualität wird im Prozess der Zivilisation mehr und mehr hinter die Kulissen des gesellschaftlichen Lebens in die Enklave der Kleinfamilie eingeklammert, mit einer Aura der Peinlichkeit und Ausdruck der Angst.
So selbstverständlich es zu Erasmus' Zeiten war von Sex zu sprechen, so selbstverständlich ist es im 19. Jh. davon nicht zu sprechen. Beide berufen sich auf Gott.

Die sexuelle Region ist zu einer heimlichen geworden.

Nicht rationale Motive, nicht Zweckmäßigkeitsgründe sind hauptsächlich für diese Haltung bestimmend, sondern die zum Selbstzwang gewordene Scham des Erwachsenen selbst.
Es sind die gesellschaftlichen Verbote und Widerstände in ihrem Inneren, es ist ihr eigenes 'Über-Ich', das ihnen den Mund schließt (S. 248).
Erasmus hat noch kein Problem aufzuklären, die Zurückhaltung der Erwachsenen ist noch nicht so groß, damit auch die Mauer der Heimlichkeit zwischen den Kulissen, aber auch um den Heranwachsenden welcher die Schwierigkeit hat, auf den gleichen Standard der Erwachsenen zu kommen, aber das Sprechen darüber schwierig gemacht wird.

Die Kirche hat sicherlich frühzeitig für die Einehe gekämpft, aber bis ins 16. Jahrhundert braucht manfrau sich außer ehelicher Beziehungen nicht zu schämen. Die 'Bastardkinder' werden mit der Familie erzogen.

Die Zivilisationskurve des Geschlechtstriebes verläuft, im großen besehen, parallel zu den Kurven anderer Triebäußerungen. Hier wird die Regelung immer strikter. Das Geschlechtsleben, der Sex, wird langsam aus dem öffentlichen Leben der Gesellschaft immer stärker zurückgedrängt. Die Zurückhaltung wird durch den Aufbau des gesellschaftlichen Lebens, durch den Druck der gesellschaftlichen Institutionen, durch bestimmte gesellschaftliche Exekutionsvorgänge, vor allem durch die Familie, dem Einzelnen als Selbstzwang von klein auf an gezüchtet.

Sexualität ist auf eine Enklave beschränkt, auf die gesellschaftlich legitimierte Ehe. Die Kleinfamilie wird zum primären Züchtungs- und Züchtigungsorgan der gesellschaftlich geforderten Treibgewohnheiten und Verhaltensweisen für den Heranwachsenden. Alle Menschen, mit denen das Kind in Berührung kommt, haben ihren Teil daran. Die Reproduktion der gesellschaftlichen Gewohnheiten, die Konditionierung (durch Reflexe) findet in der Kleinfamilie statt.

Die Modellierung, der Charakter wird zum geringsten rational bestimmt, sondern durch den Druck von Scham- und Peinlichkeitsempfindungen und Unlustäußerungen.

Auf diese Weise reproduziert sich der gesellschaftliche Standard des Scham- und Peinlichkeitsempfindes in den Kindern. Die Ausrichtung der Zivilisationsbewegung auf eine immer stärkere und vollkommenere Intimisierung aller körperlichen Funktionen, auf ihre Einklammerung in bestimmten Enklaven, ihre Verlagerung 'hinter verschlossene Türen' hat Konsequenzen sehr verschiedener Art.

Da ist die eigentümliche Gespaltenheit des Menschen zwischen den Seiten des menschlichen Lebens die sichtbar und die intim bleiben müssen. Alle fühlen sich mit soziogenen Scham- und Peinlichkeitsgefühlen beladen, die sogar das Sprechen einengen; die Funktionen selbst werden verborgen gehalten.

Es scheiden sich mit anderen Worten im Leben der Menschen selbst mit der fort schreitenden Zivilisation immer stärker eine intime oder heimliche Sphäre und eine öffentliche Sphäre, ein heimliches Verhalten und ein öffentliches Verhalten von einander.

Und diese Spaltung wird den Menschen so selbstverständlich, sie wird ihnen dermaßen zur zwingenden Gewohnheit, dass sie ihnen selbst kaum noch zum Bewusstsein kommt (S. 262). Es baut sich auch das psychische Gefüge des Menschen um.

Die durch die gesellschaftlichen Sanktionen gestützten (sexuellen) Verbote werden dem Individuum als Selbstzwänge an gezüchtet.

Der Zwang der Zurückhaltung von Triebäußerungen und die Scham werden ihm so zur Gewohnheit gemacht, dass er allein, wenn er im intimen Raum ist sich ihrer nicht erwehren kann. (Na ja, Kevin, allein zu Haus... vor dem Computer... Oh je).

In ihm selbst kämpfen die Lust versprechenden Triebäußerungen mit den unlust-versprechenden Verboten und Einschränkungen, den soziogenen Scham- und Peinlichkeitsempfindungen.

Das suchte Freud Sigmund mit 'Über-Ich', 'Unbewusstes' etc. zum Ausdruck zu bringen. Aber wie immer manfrau es ausdrückt, der gesellschaftliche Verhaltenscode prägt sich in dieser oder jener Form dem Menschen so ein, dass er gewissermaßen ein konstitutives Element des individuellen Selbst wird.

Diese Gespaltenheit des Ichs oder des Bewusstseins, das für Menschen in unserer Phase der Zivilisation typisch ist, korrespondiert (bzw. entspricht) mit der spezifischen Zwiespältigkeit des Verhaltens, zu der das Leben in dieser Gesellschaft zwingt.

Die heutige Badekleidung (weniger ist mehr) hat einen sehr hohen Standard der Triebgebundenheit zur Voraussetzung.
Nur in einer Gesellschaft, in der ein hohes Maß von Zurückhaltung zur Selbstverständlichkeit geworden ist, und in der Frauen, wie Männer absolut sicher sind, dass starke Selbstzwänge und eine strikte Umgangsetikette jeden Einzelnen im Zaume halten, können sich Bade- und Sportgebräuche von solcher Art und Freiheit entfalten (S. 257).
Oder ... es gibt 'Trieb-Durchbruch'."


* Quelle: Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation, Erstmals veröffentlicht 1936, Francke Verlag: 1969 2. Auflage,Suhrkamp:1976 1. Auflage,19. Auflage 1995 Exzerpt: transitenator.