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Encomium Moriae Lob Narrheit Torheit

Sie haben gefunden: Text von 'Encomium Moriae' = Das Lob der Narrheit  (Torheit). You have found: Praise of the Folly (German text). Autor: Erasmus von Rotterdam (Desiderius Erasmus bzw. Gerhard Gerhards) entstanden um 1508 bzw. 1509 und gewidmet dem Thomas Morus.

Anmerkungen und Vorwort

Ist Encomium Moriae nun korrekt übersetzt mit Lob der Torheit oder Lob der Narrheit?
Flüchtigen Lesern empfehle ich das Nachwort am Ende dieses Posts.

Die Google Suche am 23. April 2007 ergab mit folgenden Suchbegriffen:
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Im Frühjahr, als ich das erste Er(g)asmus Blog baute, mit dem frohen und fröhlichen Geist der Narrheit, tippte ich mir die Finger wund, indem ich den Encomium Moriae Text aus einem alten Buch transskribierte und dann mit einer Rechtschreib-Korrektur das alte Deutsch etwas jünger werden ließ. Mit diesem 'Er(g)asmus' Blog beging ich auch viele Torheiten, Torheiten die frische Blogger eben machen. Vor einem Monat habe ich das schnell gealterte Blog unter gehen lassen (Do you really want to delete this blog? Yes!) und nun, schwups, ist eine 'Auferstehung' da.

Disclaimer: Der Text von Encomium Moriae dem Lob der Torheit lässt Manches etwas lächerlich erscheinen. Ich persönlich finde zum Beispiel die Kritik an kirchlichen Würdenträgern oder an Frauen als heute nicht mehr passend. Es soll ja niemand denunziert werden. Aber die Schuhe passen anderen und neuen 'Rollenträgern' und wie ich schon im Frühling gesagt habe: "Wem die Schuhe passen, der soll sie anziehen."
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Die Narrheit spricht über sich selber

Man hält mir zwar keine gute Nachrede – ich weiß sehr wohl, wie übel auch die größten -Dummköpfe auf die Narrheit zu sprechen sind -, trotzdem aber erkläre ich, dass sie, die Narrheit, einzig und allein imstande ist, sowohl Götter wie Menschen fröhlich zu machen.

Der deutlichste Beweis dafür sei es, dass jetzt, da ich doch kaum erst vors Rednerpult getreten, im Augenblick alle Gesichter hell und vergnügt und alle Stirnen glatt geworden sind, und noch vor ganz kurzem seid ihr so traurig da gesessen, als wärt ihr aus einer finsteren Höhle hervor gekommen.


Warum ich heute in einem so ungewöhnlichen Habit auftrete, sollt ihr alsbald hören, denn ich bin jetzt willen, in eurer Gegenwart einen Philosophen vorzustellen, doch keinen solchen wie unsere heutigen, die den jungen Leuten nur unnütz Zeug beibringen und sie daran gewöhnen, zu zanken wie die Weiber, sondern ich will es den Alten nach tun.

Das Bestreben der Alten war es, ihre Götter und ihre Helden zu preisen. Von mir aber werdet ihr keinen Lobspruch auf Herkules oder Solon hören, sondern mein eigenes Lob, das Lob der Narrheit.


Was kümmert es mich dabei, wenn naseweise Leute behaupten, es sei großer Hochmut oder gewaltige Torheit, sich selbst zu loben? Mag es ihnen nur närrisch vorkommen, aber was kann sich wohl besser schicken, als dass die Narrheit ihr eigen Lob aus posaune?  

Und wer sollte mich wohl besser schildern können als ich selbst? Es sei denn, dass ich anderen besser bekannt bin als mir.

Trotzdem glaube ich, hierin weit bescheidener zu sein als die vielen Großen und Klugen auf der Welt, die sich aus falscher Scham entweder einen Redner oder einen geschwätzigen Poeten um Geld dingen und sich von solchen Leuten ihr Lob sprechen lassen, ob gleich derlei Lob aus nichts anderem besteht als aus Unwahrheit und Lüge.

Indes stolzieren diese Schamhaften dennoch wie Pfaue, die ein Rad schlagen, einher oder wie ein Hahn, der den Kamm aufstellt, wenn sie ein unverschämter gekaufter Schmeichler zum Himmel erhoben und sie als vollendetes Muster aller Tugend dargestellt hat.

Obwohl der Kerl so weit davon entfernt ist, wie der Himmel von der Erde. Kurz gesagt, ich richte mich nach dem Sprichwort, nach dem sich jeder mit Recht lobt, den niemand anderer loben will.


Doch kann ich mich nicht genug über die Undankbarkeit, vielmehr über die Faulheit der Menschen verwundern, unter denen sich in so     langen Jahren noch keiner gefunden hat, der der Narrheit das gebührende Lob gesprochen hätte, obgleich jedermann sie inbrünstig verehrt und ihre Wohltaten mit Vergnügen empfängt, und dabei hat es doch nicht an Leuten gefehlt, die die übelsten Dinge und die abscheulichsten Tyrannen mit viel Mühe und Fleiß herausgestrichen haben.

Ich brauche jedoch für meine Rede nur wenig Zeit und Mühe, dafür soll sie aber um so mehr Wahrheiten enthalten.

Ihr dürft keineswegs glauben, dass ich dies nur fälschlich vorgebe, um zu zeigen, wie geschickt mein Verstand sei, machen es doch die Oratores allgemein, denn wenn so einer auch zwanzig Jahre an einer Rede gearbeitet hat, schwört er doch Stein und Bein, er habe sie innerhalb dreier Tage gleichsam spielend niedergelegt oder anderen in die Feder diktiert.


Nun komme ich wieder auf mein Vorhaben. Ihr kennt schon meinen Namen, ihr Erznarren – denn was für einen ehrlicheren oder besseren Titel könnte die Göttin der Narrheit ihren Verehrern wohl beilegen? Weil aber nicht allzu viele wissen, wer meine Eltern gewesen sind, will ich mir jetzt mit Hilfe der Musen angelegen sein lassen, euch solches kundzutun.
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Über die Herkunft der Narrheit

Mein Vater war also weder das Chaos noch der Orkus, weder Saturn noch Japetus oder sonst einer von jenen veralteten Göttern, sondern Plutus, der Gott des Reichtums, der einzige Vater aller Götter und Menschen, wenn es auch keiner zugeben will.

Plutus, der nach seinem Gefallen wie eh und je das Unterste zuoberst und das Oberste zuunterst kehrt;  Plutus, nach dessen Gutdünken Kriege geführt werden, Friedensverträge geschlossen, Reiche beherrscht, Pläne geschmiedet, Versammlungen abgehalten, Ehen, Verträge und Bündnisse zustande gebracht, kurzweilige und ernsthafte Dinge getrieben werden.
 
Wer seinen Zorn tragen muss, dem kann nicht einmal Pallas Athene helfen. Wer ihn aber zum Freund und Gönner hat, der mag getrost allen Götttern und Menschen die Stirn bieten. Das ist der Vater, dessen ich mich rühmen darf. Und meine Mutter war Neotetis, die Nymphe der Jugend. Nicht im langweiligen Ehestand zeugte mich mein Vater mit ihr, sondern bei weit vergnügterer Kurzweil, und da er trunken war von süßem Nektar, der Liebe der Götter.

Vielleicht möchtet ihr auch meine Heimat gern wissen? Sintemalen manfrau heutzutage meint, es sei nicht wenig wichtig, wo manfrau zum ersten mal in der Wiege geflennt hat. Meine Wiege stand auf jenen glücklichen Inseln, auf denen manfrau weder zu säen braucht noch zu ackern, weil alles von selbst wächst, auf jenen Inseln, wo es keine Arbeit gibt, wo manfrau kein Alter und keine Krankheit kennt und wo sich Augen wie Nase an den schönsten und herrlichsten Lustgärten erfreuen.
 
An einem so herrlichen Ort bin ich geboren, begann aber mein Leben nicht mit Weinen; nein, ich lachte meine Mutter sogleich freundlich an, und damit ihr nicht meint, ich nennte mich ohne Ursache eine Göttin, vernehmt nun ferner mit gespitztem Ohr, wie viel Liebes ich sowohl den Göttern wie den Menschen erzeige und wie weit sich meine Macht erstreckt.

Und wenn derjenige füglich ein Gott heißen soll – wie einmal jemand geschrieben hat und nicht zu Unrecht --, der den Sterblichen Hilfe erweist, und wenn solche unter die Götter aufgenommen werden, die die Menschen den Gebrauch des Weines oder des Getreides oder sonst irgendeine nützliche Kunst gelehrt haben, warum soll da ich nicht als die vornehmste aller Götter und Göttinnen gelten, da nur ich allen Menschen Nützliches schenke und gebe?

Denn zum ersten: was könnte angenehmer und kostbarer sein als das Leben? Aber wem hat manfrau den Anfang des Lebens zu danken, wenn nicht mir? Denn ich muss jedenfalls dabei sein, wenn jemand Vater zu werden gedenkt, und wie es meine Art ist, will ich noch vertraulicher mit euch sprechen. Ist es wohl der Kopf, das Angesicht oder die Brust, die Hand oder irgendein anderer Teil des menschlichen Leibes, der die Kinder zeugt?

Mit nichten! Ganz etwas anderes! Ein Teil, der so närrisch und lächerlich aussieht, dass manfrau sich ihn ohne Lachen nicht einmal vorstellen kann, ist der Ursprung des menschlichen Lebens. Und welcher Mann ließe sich wohl den Zaum des Ehestandes anlegen, hätte er vorher die vielen Beschwerlichkeiten dieses Standes erwogen?

Und welches Weib gäbe sich einem Mann, wenn sie an die gefährlichen Geburtswehen und die vielen Beschwerlichkeiten der Kindererziehung dächte? -- So habt ihr euer Leben dem Ehestand zu danken, den Ehestand aber dem Unverstand, meinem Trabanten, und daraus könnt ihr ermessen, wie großen Dank ihr mir schuldet. Welches Weib würde ferner, wenn sie einmal etwas so Hartes wie eine Geburt erlebt hat, es zum zweitenmal probieren, stünde ihr nicht die Vergesslichkeit zur Seite?

Ja, Venus selbst könnte nur schwerlich leugnen, dass ihre Macht und ihre Stärke ohne meinen Beistand unzulänglich und vergeblich wären. Und so kommen aus meinem tollen und lächerlichen Possenspiel sowohl die hochtrabenden Philosophen, an deren Stelle jetzt die so genannten Mönche getreten sind, wie auch die Könige im Purpurmantel, die frommen Priester, die dreimal allerheiligsten Päpste und der ganze Haufen der poetischen Götter, der so groß ist, dass ihn auch der Himmel nicht fassen kann, obgleich er doch ziemlich viel Raum hat.

Nun ist es gewiss kein so groß Ding, dass manfrau mir den Ursprung des Lebens zu danken hat, nein, ich will etwas anderes beweisen: dass nämlich alles, was am menschlichen Leben lieb und angenehm ist, mein Geschenk ist und meine Gabe. Was wäre denn dieses Leben ohne Lust Ihr stimmt mir bei!

Denn keiner von euch könnte so weise oder vielmehr so töricht sein, dass er anderer Meinung wäre. Selbst die Stoiker verachten die Lust keineswegs, obgleich sie nach außen so tun und gewöhnliche Leute schmähen, um sie von den Freuden der Welt abzuschrecken, doch nur, damit sie selber dieser Freuden um so leichter genössen. Aber beim Jupiter, sie sollen mir nur sagen, wie das Leben doch traurig, widerwärtig, albern und verdrießlich wäre, entzöge manfrau ihm jegliche Lust, vor allem die Würze der Narrheit!
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Von der güldenen Kindheit

Und wer wüsste nicht, dass die erste Stufe im Leben des Menschen, die Kindheit, die erfreulichste und angenehmste ist?

Und was ist es denn an den kleinen Kindern, das uns bewegt,sie so zärtlich zu küssen, sie so innig zu herzen und so sorgsam auf sie zu achten?

Wie kommt es denn, dass nicht einmal ein Feind dem Menschen in diesem zarten Alter seine Hilfe versagt?

Die Narrheit ist der Grund. Wir liebkosen in den Kindern die Narrheit, die ihnen die Natur in ihrer Umsicht eingepflanzt hat. Und wie schön ist die Zeit, die der Kindheit folgt: die Jugend. Ist ihr nicht jeder vom Herzen gewogen?

Wer wäre nicht gerne bereit, sie zu fördern und ihr hilfreiche Hand zu bieten? Und woher solche Gunst und Gewogenheit? Von wem wohl anders als von mir?

Denn ich habe der Jugend die Wohltat erwiesen, dass sie nur wenig Klugheit besitzt, und ich will Lügnerin genannt werden, wenn nicht aller Glanz und alle Schönheit sogleich vergehen, ist die Jugend einmal älter geworden und sind die Menschen durch Erfahrung und Unterricht zu reiferem Verstand gelangt.

Dann wandelt sich der Frohsinn in Trägheit, das lustige Wesen in Ernst und alle Kraft in Ohnmacht. Und je weiter sich die Jugend von mir entfernt, desto weniger Leben hat sie, bis der Mensch schließlich in das beschwerliche Alter tritt, das nicht nur anderen Menschen verhasst ist, sondern auch sich selbst.

Doch auch dies vermöchte niemand zu ertragen, so ich ihm nicht aus Erbarmen und Mitleid zur Seite stünde und ihn wieder zum Kinde machte.

Aber wenn jemand die Art und Weise erfahren möchte, wie solche Verwandlung vonstatten geht, will ich es ihm nicht verhehlen.
 
Ich führe die Menschen zum Born der Lethe, und wenn sie davon getrunken haben, lassen sie alle Sorgen sein und werden wieder kindisch.
 
Und so jemand sagen sollte, sie würden eben töricht und närrisch, so gebe ich es zu. Das heißt doch, wiederum zum Kinde werden.
Ein Kind sein, ist eben soviel, wie töricht sein und unwissend.

Das größte Vergnügen, das wir an Kindern haben, liegt darin, dass sie nichts wissen. Was wäre denn widerlicher als ein Kind, das die Wahrheiten eines erwachsenen von sich gäbe?

Und wer hätte gerne mit einem alten Mann zu schaffen, bei dem die große Erfahrung in den Dingen des Lebens mit eben soviel Gemüts- und Urteilskraft vereint wäre!

Dass also die alten Leute nicht recht gescheit sind, haben sie nur mir zu danken. Ein alter Narr ist von den Bekümmernissen und Sorgen frei, von denen ein weiser Greis geplagt wird.

Zur Not kann er beim Schmausen noch mithalten; es ekelt ihn nicht, lange zu leben, und manchmal folgt er sogar jenem alten Mann bei Plautus und schielt nach der Liebe. Und da müsste er doch der unglücklichste aller Menschen sein, wäre er gescheit.

Er ist jedoch durch meine Wohltat beglückt, bei guten Freunden gern gelitten und kann mit anderen angenehme und spaßige Reden führen.

Darin übertreffen die alten Leute sogar die Kinder, denn die Kindheit ist zwar angenehm, aber der Sprache beraubt, und muss darob eines nicht geringen Vergnügens im menschlichen Leben entraten, nämlich der Schwatzhaftigkeit; daher kommt es auch, dass sich die Alten so sehr an Kindern freuen und die Kinder wiederum an den Alten, denn allzeit führen die Götter gleich und gleich zusammen.

Worin sind sie nun einander gleich? Gleich sind bei beiden die weiße Farbe der Haare, das zahnlose Maul, die geringe Statur, die Freude am Milch trinken, das Lallen, die Schwatzhaftigkeit, die Einfalt, die Vergesslichkeit, die Unbedachtsamkeit – mit einem Worte alles, nur dass die einen mehr Runzeln haben und auf mehr Geburtstage zurück blicken.

Und je älter einer wird, desto mehr gleicht er einem Kinde,  bis er endlich, ganz ohne an den Tod zu denken, aus dieser Welt schiedet. Aber vielleicht kommt einer und vergleicht meine Wohltaten mit dem, was andere Götter treiben, wenn sie Menschen in irgend etwas verwandeln.

Was sie einem Feinde antun, davon will ich gar nicht reden, aber selbst die, denen sie gnädig sind, verwandeln sie gern in einen Baum, in einen Vogel, in eine Heuschrecke oder Schlange. Als ob etwas anderes werden nicht eben soviel wäre wie umkommen und untergehen!

Ich aber verhelfe dem Menschen wieder zum besten und glücklichsten Teil seines Lebens. Und sobald die Leute überhaupt nichts mehr mit der Weisheit zu schaffen haben wollten und damit zufrieden wären, alle Zeit mit mir zu verbringen, gäbe es überhaupt kein Alter, und sie genössen eine immer währende selige Jugend.

Seht ihr denn nicht, wie jene trübsinnigen Kerle, die sich entweder der Philosophie geweiht haben oder sich mit anderen ernsthaften und hohen Dingen befassen, meist schon alt sind, ehe sie noch zu Jünglingen wurden, weil ihnen nämlich die Sorgen und das ständige Grübeln allgemach die Säfte des Geistes und des Lebens aus dem Leib treiben.

Meine Narren hingegen sind fett und dick und gar wohl genährt, ja, sie sehen manchmal aus wie Mastschweine und würden niemals die Beschwerden des Alters fühlen, wären sie nicht wohl gar oft – das menschliche Leben gestattet eben auch hierin keine vollkommene Glückseligkeit – mit der Seuche der Weisheit angesteckt.

Nun mögen sie nur hingehen, die armen Tröpfe, und bei einer Medea, einer Circe, einer Venus oder  Aurora oder ich weiß nicht wo noch, die Jugend suchen – ich bin doch die einzige, die die Jugend verleihen kann und auch wirklich oft verleiht.

Meine Kräuter sind es, meine Segenssprüche, mein Jungborn, welche die schon entschwundene Jugend nicht nur wieder herstellen, sondern sie auch – und das ist weit besser – für immer erhalten.

Da ihr mir  nun darin bestimmen müsst, dass es nichts Schöneres gibt als die Jugend und nichts Widerwärtigeres als das Alter, so seht ihr hoffentlich, wie viel Dank ihr mir schuldig seid, da ich euch eine so große Gabe bewahre und ein so schweres Übel von euch abhalte.
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Von Göttern und Weibern

Doch was rede ich lange von den sterblichen Menschen! Durchforscht den ganzen Himmel und heißt mich, wenn ihr wollt, einen Narren, so ihr nur einen einzigen freundlichen und angenehmen Gott finden könnt, den ich nicht beliebt gemacht hätte.

Denn warum sieht Bacchus aus wie ein Knabe mit langem Haar? Weil er immer toll und voll ist, und sein ganzes Leben mit Fressen und Saufen verbringt, mit Tanzen und Springen und mit anderen üppigen Lustbarkeiten, so dass er mit Pallas nicht das geringste gemein hat.

Er will auch keineswegs für eine Weisen angesehen werden, und darum hat er es gern, wenn man ihn mit allerlei Gaukeleien und närrischen Dingen verehrt. Wer wollte denn nicht lieber ein törichter und närrischer Geselle heißen und allezeit jung und lustig und munter sein und nicht ein hinterlistiger Jupiter, vor dem sich jeder fürchtet, ein erschrecklicher Pan oder ein rußiger Vulcanus, der von seiner Werkstatt immer voll Schmutz ist?

Warum ist Amor stets ein Knabe? Weil er ein Schwätzer ist und nie etwas Gescheites tut und denkt! Warum sieht die goldene Venus immerzu so jung und schön aus? Weil sie meine Frau Base ist und jederzeit lacht! Was für Gaukeleien treibt nicht Merkur mit seinem Stehlen und Zaubern,oder jener alte verhurte Silen oder die Satyre, die halbe Böcke sind? Und was soll ich von dem sagen, was die Götter tun, wenn sie recht viel gefressen und gesoffen haben? Fürwahr, so närrische Dinge sind das, dass ich oft selbst darüber lachen muss.


Doch nun ist es an der Zeit, von den Göttern zu schweigen und mich wieder der Erde zuzuwenden, denn es gilt zu beweisen, dass hier auf der Welt nichts Erfreuliches zu finden ist, kein Glück, keine Seligkeit, die nicht von mir her kämen.

Wenn die Stoiker behaupten, die Weisheit sei nichts anderes als ein Leben  gemäß der gesunden Vernunft, so liegt die Narrheit darin, dass manfrau sich von Trieben und Neigungen regieren lässt.

Die Götter haben uns weit mehr Narrheiten eingepflanzt als Vernunft, damit das menschliche Dasein nicht gar so traurig und verdrießlich sei. Wollte manfrau die beiden gegeneinander abwägen, käme wohl ein Quäntchen Vernunft gegen ein Pfund Triebe heraus.

Überdies hat Jupiter die Vernunft in einen engen Winkel des Kopfes verwiesen und den ganzen übrigen Körper den ungeordneten Begierden eingeräumt. Und wie wenig die Vernunft den Trieben gewachsen ist, bezeugt der Menschen Leben. Weil der Mann zur Verrichtung vieler und vielerlei Geschäfte geboren wird, hat er auch etwas mehr von der Vernunft mitbekommen, und da sie ihm innerlich ist, zog er mich deswegen zu Rate.

Ich gab ihm auch bald einen Rat, dessen ich mich nicht zu schämen brauche; ich sagte ihm nämlich, er solle sich ein Weib nehmen, das zwar ein närrisches und albernes Tier sei, aber man habe dann etwas zu lachen.

Denn wenn Plato zu zweifeln scheint, unter welche Art der Tiere die Weiber zu rechnen seien, unter die vernünftigen oder die unvernünftigen, so wollte er uns damit nichts anderes zeigen als die große Freiheit dieses Geschlechts.

Und wenn eine Frau gern als weise angesehen werden möchte, beweist sie damit nichts anderes, als dass sie eine zweifache Närrin ist. Es ist dann bei ihr so, als wollte man einen Ochsen die Dichtkunst lehren.

Und wie nach dem Sprichwort der Griechen ein Affe allezeit ein Affe bleibt, selbst wenn er in Purpur gekleidet geht, bleibt auch ein Weib allezeit ein Weib, sie mag sich anstellen, wie sie will.

Doch hoffe ich, dass das weibliche Geschlecht nicht so närrisch ist, mir ob dieser Worte zu zürnen, bin ich doch selbst eine Weibsperson:  DIE  Narrheit.

Wenn sie die Sache genau bedenken, müssten sie der Narrheit dankbar sein, denn sie sind weit glücklicher als die Männer. Fürs erste haben sie ihre Schönheit, die sie mit Recht für ihren kostbarsten Schatz halten und mit deren Hilfe sie auch über die Tyrannen selbst herrschen – und sie haben sie nur von mir.

Woher kommt denn bei den Männern die hässliche Gestalt, die borstige Haut, der Bart, der aussieht wie ein Wald, wenn nicht vom Laster der Klugheit, während im Gegenteil die allezeit glatten Wangen, die zarte Stimme und die weiche Haut der Frauenzimmer beständige Jugend zeigen, und dorthin zielen auch ihr mannigfaltiges Sich-Aufputzen, Anstreichen, Kämmen, Salben und Beschmieren und die vielen Künste, mit denen sie Gesicht, Augen und Haar schön machen.

Wodurch könnten sie bei ihren Männern beliebter werden als durch ihre Narrheit? Denn ihnen ist alles gestattet. Warum wohl? Nur der Wollust wegen! Und auch darin gewähren sie nur durch ihre Narrheit Lust und Vergnügen. Dass dies wahr ist, wird niemand leugnen, der überlegt, wie närrisch sich ein Mann mit seinem Weib beträgt, so oft er willens ist, seinen Spaß mit ihr zu treiben.

Es gibt aber auch Leute, und zwar sonderlich alte Männer, die es lieber mit dem Becher halten als mit den Frauenzimmern und ihre größte Lust im Schmausen finden.

Gibt es jedoch einen properen Schmaus, bei dem nicht ein Weib zugegen wäre? Es ist kein Spaß dabei, wenn es nicht närrisch zugeht, und so kommt es, dass man sogar um Lohn Narren dingt oder einen Schmarotzer bestellt, der die Zechbrüder durch lächerliche, das heißt närrische Reden aufmuntert und lustig macht.

Wozu sollte man sich auch den Wanst mit allerlei köstlichen Speisen und Leckerbissen füllen, würden nicht zugleich auch Auge und Ohr, ja das ganze Gemüt gesättigt mit Lachen, Scherzen und allerlei kurzweiligen Dingen? Und all diese guten  Dinge kommen von mir!

Desgleichen stammen die bei Gastereien jetzt üblichen Bräuche, wie etwa das Würfelspiel, der Umtrunk, das Singen und Tanzen und andere Possen, nicht von den sieben Weisen Griechenlands, sondern sind von mir ersonnen zum besonderen Nutzen und Heil des Menschengeschlechts.

Vielleicht aber gibt es Leute, die dergleichen Ergötzungen gering achten und es sich an angenehmem Umgang mit guten Freunden genug sein lassen, weil sie sagen, die Freundschaft verdiene den Vorzug vor allen Dingen und sei ebenso nötig wie Luft, Feuer oder Wasser.

Wie aber,wenn ich nun darlege, dass ich auch dieses großen Gutes Urheberin bin?

Scheint es denn nicht närrisch zu sein, wenn man die Fehler seiner Freunde nicht sieht oder nicht sehen will, ja sogar große Mängel als Tugenden liebt und bewundert? Was wäre es anderes als Narrheit, wenn jemand ein Muttermal an seiner Liebsten unendlich schätzt, ein zweiter wohl gar an der stinkenden Nase seines Lämmchens Vergnügen findet, oder wenn ein Vater von seinem schielenden Sohn sagt, er habe einen schelmischen Blick?

Was ist dies also, so frage ich nochmals, es sei denn Narrheit?

Die Narrheit ist es allein, die Freunde schafft und Freunde erhält. Das kommt daher, dass die meisten Menschen Narren sind und man keinen einzigen finden kann, der seine Narrheit nicht vielfach zu erkennen gibt, und Freundschaft lässt sich eben nur unter Gleichen finden.

Und was ich von der Freundschaft gesagt habe, muss manfrau – sogar noch viel mehr – vom Ehestand sagen. Behüte Gott, was für Ehescheidungen oder wohl noch ärgere Dinge müsste manfrau erleben, würde nicht der häusliche Umgang eines Mannes und Weibes durch meine Trabanten: Schmeichelei, Scherz, Sanftmut, Irrtum und Verstellung gestützt.

Oh, wie wenig Ehen kämen zustande, wenn sich der Bräutigam genau erkundigte, was für Scherz und Kurzweil sein ehrbares und keusches Jungfräulein schon lange vor der Hochzeit getrieben! Und wie viel schon geschlossene Ehen könnten Bestand haben, wenn nicht die Tücke der Weiber den Männern aus Nachlässigkeit oder vielmehr Dummheit verborgen bliebe.

Gewiss hat die Narrheit daran schuld, aber sie bewirkt es eben doch, dass dem Mann die Frau und der Frau der Mann lieb und wert sind und dass im Haus Friede und Ruhe und zwischen den Eheleuten Eintracht herrschen. Der Mann wird zwar verlacht; manfrau heißt ihn wohl einen Hahnrei und alles mögliche sonst, wenn er seiner Ehebrecherin die Tränen von den Wangen leckt. Aber ist es nicht weit glückseliger, von sotanem Irrtum befangen zu sein als sich durch allzu große Eifersucht das Leben zu vergällen und immer zu hadern und zu zanken?

Kurz gesagt: keine Gesellschaft und keine Gemeinsamkeit kann ohne mich angenehmen Bestand haben und kein Volk könnte seinen Herrscher, kein Herr seinen Knecht, keine Frau ihre Magd, kein Lehrmeister seinen Schüler, kein Freund den Freund, kein Weib den Mann, kein Grundherr seinen Pächter und kein Haus- oder Tischgenosse den anderen auf die Dauer leiden oder nur ertragen, begingen sie nicht alle mitsammen abwechselnd Fehler, schmeichelten sie einander nicht, schauten die nicht durch die Finger und beschmierten sie sich nicht mit dem Honig der Narrheit.

Ich weiß genau, dass manfrau dies für etwas Großes hält, aber ihr sollt von noch größeren Dingen hören. Ich frage euch: kann einer, der sich selbst hasst, einen anderen lieben? Kann der mit anderen in Eintracht leben, der mit sich selbst uneins ist? Kann der einem anderen Lust und Vergnügen schaffen, der sich selbst zur Last wird? Das  dürfte, so meine ich, wohl niemand zu behaupten wagen, es sei denn, er wäre ein größerer Narr als die Narrheit selbst.

Denn gäbe es mich nicht, würde nicht nur niemand andere Menschen dulden und ertragen können, sondern jeder wäre sich selbst unerträglich, ja er würde sich hassen, zumal da auch die Natur, die sich in gar manchem mehr als Stiefmutter erweist denn als rechte Mutter, den Sterblichen, insbesondere den aufrichtigen Gemütern, das Übel eingepflanzt hat, dass ein jeder sich selbst gering dünkt, Fremdes und Fremde aber bewundert, und so kommt es, dass ohne Gaben der Freude unser Leben geschändet und wertlos wird.

Denn was nützt die Schönheit – und sie ist keine geringe Gabe der Natur --, wenn jemand vor sich selbst Abscheu hat? Wozu dient die Jugend, so sie durchsetzt ist mit dem Sauerteig altväterischer Verdrießlichkeit? Und was könntest du in deinem ganzen Leben bei dir selbst oder bei anderen Leuten ausrichten, stünde dir die Eigenliebe nicht getreulich bei, die ich mit Recht für meine Lieblingsschwester halte, sintemalen sie immer so tapfer für mich Partei nimmt?

Gibt es denn etwas Närrischeres als sich selbst gefallen, sich selbst bewundern? Und was kann hingegen schön, angenehm und geziemend sein, wenn du dir selbst missfällst? Wollte manfrau diese Lebenswürze verdünnen, erschiene uns jeder Redner leblos, kein Musiker gefiele mehr mit seinen Melodien, jeden Gaukler würde manfrau mit seinen Possen aus zischen, den Poeten mitsamt seiner Muse verlachen, den Maler und seine Kunst verabscheuen und der Arzt  müsste trotz seinen Arzneien Hungers sterben.

So nötig ist es also, dass ein jeder sich selbst schmeichle und sich selber gefalle, ehe er anderen gefallen kann. Und da es ein Teil des größten Glückes ist, das sein zu wollen, was manfrau ist, so darf manfrau nicht vergessen, wie es meine Eigenliebe zuwege bringt, dass einem jeden sein Aussehen, sein Verstand, sein Geschlecht, seine Stellung, seine Gewohnheiten und sein Vaterland wohl gefallen, so dass ein Irländer nicht mit einem Welschen, ein Thrazier nicht mit einem Athener und ein Skythe nicht mit den Bewohnern der Seligen Inseln zu tauschen begehrt.

Und fürwahr, die Eigenliebe ist wohl die gewaltigste aller Gaben. Überhaupt kann sich niemand erkühnen, eine Großtat zu tun, es geschehe denn durch meinen Antrieb, und es gibt keine Künste, sie seien denn durch mich erfunden.

Ist nicht der Krieg aller großen Taten Ursprung und Gelegenheit zu solchen Taten? Was wäre aber närrischer als – ich  weiß nicht, aus welchen Gründen – einen Streithandel anzufangen, von dem jeder viel mehr Schaden zu erwarten hat als Nutzen, denn an die , die umkommen, denkt niemand. So aber zu beiden Seiten die Heere aufgestellt sind und die Trompeten erschallen, was nützen dann die weisen Männer, die durch vieles Studium zermürbt und erschöpft sind und bei ihrem dünnen, kalten Geblüte kaum mehr Atem holen können?

Dicke und fette Gesellen braucht man da, die mehr Kühnheit haben als Verstand, es sei denn, man möchte als Soldaten lieber einen Demosthenes haben, der, kaum dass er den Feind zu Gesicht bekam, seinen Schild wegwarf und davon lief, so dass er sich als ebenso furchtsamer Soldat wie als kluger Redner erwies.

Jedoch behauptet manfrau, List und ein kluger Plan könnten im Krieg sehr viel bewirken, und ich muss zugestehen, dass bei einem General viel darauf ankommt. Doch das ist etwas nach Soldatenart und nichts für einen Philosophen, denn ein so großer Plan wird mit Kupplern, Schmarotzern, Krämern, Straßenräubern, Bauern, Dummköpfen, Schuldenmachern und anderem dergleichen Gelichter durchgeführt, nicht aber mit Leuchten der Weltweisheit.

Und wie wenig derlei Leuchten im gewöhnlichen Leben nützen, hat Sokrates selbst mit seinem Exempel bewiesen, denn dieser ehrliche Mann tat zwar weise daran, dass er sich nicht weise nennen ließ und dass er lehrte, ein Weiser solle sich nicht in öffentliche Geschäfte einlassen, doch was hat ihn, als er angeklagt wurde, gezwungen sich zu vergiften?

Die Weisheit! Denn indem er über die Wolken und die Ideen philosophierte, die Füße der Flöhe aus zirkelte und die Stimmen der Fliegen bewunderte, lehrte er nichts, was das gemeine Leben angeht.

Was soll ich ferner von Theophrast sagen, der , sobald er vor die Volksversammlung trat, verstummte, als hätt er er ein Gespenst gesehen? Wie hätte der im Kriege den Soldaten Mut zusprechen können?

Isokrates getraute sich aus Furcht nicht den Mund aufzutun, und trotzdem spricht manfrau soviel von dem Wort Platos, der da sagt: ein Staat wäre dann erst so richtig glücklich, wenn entweder die Philosophen herrschten oder die Herrscher philosophierten. Zieht manfrau aber die Geschichte zu Rate, findet manfrau, dass keine Herrscher dem Gemeinwesen schädlicher waren als philosophische Grillenfänger oder Gelehrte.

Und diese Art Leute, die sich der Weisheit ergeben, sind in anderen Dingen, zumal bei der Erziehung der Kinder, meist recht unglückselig, und zwar nach  meiner Meinung dank einer besonderen Umsicht der Natur, damit das Übel der Weisheit unter den Menschen nicht allzu weit um sich greife.

Von Cicero weiß manfrau, dass er einen ungeratenen Sohn gehabt hat, und auch der weise Sokrates hatte Kinder, die aber mehr nach der Mutter geartet waren als nach dem Vater, das heißt, sie sind Narren gewesen.

Das alles ginge noch hin, und manfrau könnte es ertragen, dass sich die Philosophen in den öffentlichen Geschäften so anstellen wie der Esel beim Laute schlagen, doch auch bei allen anderen Verrichtungen im menschlichen Leben sind sie gleicherweise ungeschickt.

Manfrau lade einen solchen Weisen nur zu Gast, und er wird einem entweder durch mürrisches Schweigen oder durch unangenehme Fragen zur Last fallen. Manfrau fordere ihn zu einem Tanz auf, und jedermann wird sagen, da hüpfe ein Kamel. Führst du ihn aber zu einem Schauspiel, stört er durch sein mürrisches Aussehen das Vergnügen des Volkes und muss  wie der kluge Cato das Theater verlassen, da er außerstande ist, seine müde Verdrießlichkeit zu verbergen.

Kommt es aber darauf an, eine Unterredung zu führen oder sich zu unterhalten, wird er plötzlich still. Gilt es etwas zu kaufen, einen Vertrag abzuschließen oder Dinge anzuordnen, die fürs Leben notwendig sind, beträgt sich dieser Weise so, dass manfrau ihn eher für einen Klotz nennen möchte als einen Menschen.

Und so kann er weder sich selbst nützen noch dem Vaterland noch den Seinen, weil er von den allgemeinen Dinge des Lebens nichts weiß und ganz andere Ansichten und Sitten hat  als die übrigen Menschen. Aus dieser großen Ungleichheit im Leben und in der Gemütsverfassung muss notwendigerweise Hass entstehen.

Und wenn jemand gesonnen ist, allen zum Ärgernis zu sein, rate ich ihm, sich lieber wie Timon in eine Einöde zu begeben und seine Weisheit dort für sich zu behalten. Aber nun will ich wieder zu meinem Vorhaben kommen und frage euch: welche Kraft hat wohl die Menschen, die wild sind und ungefügig wie Steine und Eichklötze, in die bürgerliche Gemeinschaft gezwungen, wenn nicht die Schmeichelei?

Was hat das römische Volk, das immer zum Aufruhr neigte, wieder zur Eintracht gebracht? Vielleicht eine philosophische Rede? Mitnichten! Eine erdichtete, lächerliche, kindische Fabel vom Magen und den übrigen Gliedern des menschlichen Körpers. Durch dergleichen Possen lässt sich das groß mächtige wilde Tier, das gemeine Volk, leiten und führen.

Was ist närrischer, als dass einer, der sich um ein Amt bewirbt, dem Pöbel schöne Worte gibt, die Gewogenheit der Menge durch Geschenke erkauft, sich wie eine Statue im Triumph dem Volk zur Schau umher führen lässt oder aber  auf dem Markte steht? Hierher kann manfrau auch die angenommenen Namen und Beinamen rechnen, sowie die göttliche Verehrung, die manfrau schlichten Menschen erweist, zumal solchen, welche die größten Tyrannen der Welt gewesen sind.

Und wer kann abstreiten, dass aus dieser Quelle die größten Heldentaten entsprungen sind, die durch die Schriften so vieler berühmter Leute in den Himmel gehoben wurden? Auf dieser Narrheit beruhen die Herrschaften, die Obrigkeiten, die Religionen, die Verordnungen, die Gerichte und dergleichen. Überhaupt ist das menschliche Leben nichts anderes als ein Spiel der Narrheit.
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Über die Künste

Damit ich aber auch etwas von den Künsten sage, frage ich: was hat wohl die meisten Sterblichen verlockt, so viele schöne Künste zu erfinden und auf die Nachkommen zu vererben, wenn es nicht die Ruhmsucht gewesen ist?

Mit vielen durchwachten Nächten, mit gar mühsamer Arbeit wollten sich diese in der Tat ganz närrischen Leute, ich weiß nicht was für einen Ruhm erkaufen,der doch so eitel ist wie nur irgendein Ding auf Erden.

Und alle diese Vortrefflichkeiten habt ihr der Narrheit zu danken, und was das angenehmste ist: ihr zieht Nutzen aus der Narrheit anderer.


Nun hätte ich mir das Verdienst der Tapferkeit und des Fleißes zugeschrieben und frage mich: wie wäre es, wenn ich mir auch die Klugheit zueignete? Da hielte manfrau mir vielleicht vor, dass ich auf solche Weise am Ende selbst Feuer und Wasser vermengen könnte.

Aber ich hoffe, das wird auch hier alles seine Ordnung haben, sofern ihr mir wie bisher ein geneigtes Ohr schenken wollt. Wenn die Klugheit in der Erfahrung  besteht, wem sollte dann dieser ehrwürdige Name mit größerem Recht zugebilligt werden: einem Weisen, der entweder aus Scheu oder aus Furcht nichts zu unternehmen wagt, oder einem Narren, den weder die Scham, weil er keine hat, von etwas abschreckt, noch die Gefahr, weil er sie nicht erkennt?

Ein Weiser bleibt bei seinen alten Büchern und lernt daraus nichts anderes als Scharfsinn und spitzfindige Reden. Ein Narr jedoch geht tapfer drauflos, scheut keine Gefahr und eignet sich die wahre Klugheit an.

Zumal zwei Dinge sind es, die einen hindern zur Erkenntnis der Welt vorzudringen, nämlich: die Scheu, so die Gemüter umnebelt, und die Furcht, die uns die Gefahr vor Augen hält und uns davon abhält, große Taten zu tun.

Wenige Menschen wissen, in wie vielen Dingen es gut ist, sich nicht zu schämen und alles zu wagen. Und wenn manfrau behauptet, die Klugheit bestehe darin, alles richtig zu beurteilen, so hört nur, wie weit ich von solcher Klugheit entfernt bin, ich, die sich für klug ausgeben will.

Erstlich steht fest, dass alle menschlichen Dinge zweierlei Gestalt und Ansehen haben, und was uns als Schönheit, Reichtum, Ehre, Gelehrsamkeit, Stärke, Adel, Fröhlichkeit, Glück, Freundschaft vorkommt, das ist hässlich, armselig, schändlich, unwissend, schwach, unedel, traurig, widerwärtig, feindlich und schädlich.

Wollte das jemand für gar zu philosophisch halten, will ich noch deutlicher reden: wer gesteht nicht zu, dass ein König ein reicher und mächtiger Herr ist? Fehlt es ihm aber an Gaben des Gemütes und lässt er sich an nichts genügen, ist er der ärmste Mensch auf Erden. Oder hat er gar die Neigung zu Lastern, ist er nichts anderes denn ein schändlicher Knecht. Dies Exempel mag genügen.

Aber wohin willst du damit hinaus, wird manfrau mich fragen. Wohlan denn , so vernehmt, worauf ich abziele. Wenn jemand den Akteuren in einem Schauspiel die Larven abnehmen und den Zuschauern die wahrhaftigen und natürlichen Gesichter dieser Leute zeigen wollte, würde er damit doch die ganze Komödie stören und würde mit Recht als Narr aus dem Theater gesteinigt.

Denn alles sähe plötzlich ganz anders aus, so dass, wer vor kurzem noch ein Weibsbild gewesen, nun als Mann erschiene,wer einem Jüngling gleich sah, jetzt ein Greis wäre, und wer vor kurzem wie ein König dagestanden, im nächsten Augenblick nur ein ganz Unbekannter bliebe.

Einen solchen Irrtum nehmen, heißt soviel wie das Spiel verderben. Denn eben diese Vorstellung und dieser Schein sind es,welche die Blicke der Zuschauer auf sich lenken.
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Von der Menschen Teiben

Überhaupt, was wäre das menschliche Leben sonst als eine Komödie oder ein Schauspiel, in dem der eine mit dieser, der andere mit jener Larve auftritt und seine Rolle agiert, bis ihn der Prinzipal wieder abtreten heißt? Er lässt ihn aber in mancherlei Kleidung auftreten, so dass er, der zuerst einen König im Purpur dargestellt, bald darauf einen Knecht in geflickten Hosen spielen muss.

Das alles ist gleichsam nur ein Schattenwerk, doch geht die Komödie unseres Lebens genau so vor sich. Gewiss, wenn ein Weiser vom Himmel herab käme und laut riefe, dass der, den jetzt jedermann als Herrn und nahezu als Gott verehrt, nicht einmal ein Mensch genannt werden, dürfe, weil er sich wie das unvernünftige Vieh von seinen Gelüsten regieren lässt, und dass er vielmehr der geringsten Knechte einer sei, weil er freiwillig so vielen und so schändlichen Herren diene -- was würde manfrau von einem  solchen Weisen wohl anderes sagen, als dass er ein Narr ist und ein Tollkopf?

Oder wenn er uns vor Augen hielte, dass der, welcher sich über den Tod seines Vaters grämt und trauert, eigentlich lachen sollte, weil der Vater jetzt erst zu leben beginne, denn dieses Leben hienieden sei nichts anderes als ein Tod?

Oder er wollte einen, der sich seiner adeligen Abstammung rühmt, als einen Menschen von schlechter Herkunft verschreien, weil er von der Tugend aus der der Adel allein entspringe, zu weit entfernt sei?

Nichts ist eben närrischer als verkehrte Weisheit, und nichts verkehrtere als verkehrte Klugheit, zumal da jeder unweise handelt, der sich nicht nach der Lage der Dinge richtet, nicht nach dem schicklichen Ort und der schicklichen Zeit oder jenes alten Gastgebotes nicht eingedenk ist: entweder trink oder geh fort!, und darum verlangt, dass die Komödie keine Komödie sein solle.

Im Gegenteil, der handelt klug, der als sterblicher Mensch nicht klüger sein will als die anderen und bei allen durch die Finger schaut oder aus Höflichkeit ebenso irrt wie sie. Doch dies sei Narrheit, behauptet manfrau. Das mag ich zwar nicht leugnen, wenn manfrau nur auch eingestehen wollte, dass es nichts anderes sei, als im Leben Komödie spielen. Und so steht  mir bei, ihr Musen vom Helikon, wenn ich nun zeigen will, dass niemand zur unvergleichlichen Weisheit und zur Glückseligkeit gelangen kann, hat er die Narrheit nicht zur Führerin.


Erstlich ist es eine ausgemachte Sache, dass alle Triebe zur Narrheit gehören, sintemalen manfrau einen Narren dadurch von einem Weisen unterscheidet, dass jener sich von seinen Trieben beherrschen lässt, dieser hingegen von der Vernunft.

Und darum geht jeder Stoiker allen Trieben aus dem Wege, als wären sie Krankheiten. Doch sind diese Triebe nicht nur die Wegweiser jener, die sich bemühen, in den sicheren Hafen der Weisheit einzulaufen, sondern diese dienen auch bei allen edlen Handlungen gleichsam als Sporn und Anreiz und bewegen uns, Löbliches zu tun.

Freilich ist Seneca, der Stoiker, ganz anderer Meinung, denn er erlaubt dem Weltweisen keinerlei Gemütsregung. Doch dadurch, dass er dies tut, würde er bewirken, dass kein einziger Mensch mehr auf Erden bliebe; er erschafft vielmehr einen neuen Gott, der aber nirgends zu finden ist und auch nirgends gefunden werden wird.

Ja, dass ich es noch deutlicher sage: er macht diesen Weltweisen zu einem stumpfen, unempfindlichen Marmorbild. Mögen sie sich also ihre Weisen behalten und sie lieben, denn niemand wird ihnen Nebenbuhler sein wollen! Wer flöhe wohl nicht wie vor einem Gespenst entsetzt vor einem Menschen, der allen natürlichen Empfindungen gegenüber gleichsam taub ist, gar keine Gefühlsregungen kennt und ebenso wenig zu Liebe und zu Erbarmen zu bewegen ist wie der härteste Feuerstein oder Felsblock?

Oder der alles weiß, der niemals irrt, sondern wie ein Luchs mit scharfem Auge alles erkennt, alles auf das genaueste überlegt, niemanden versteht, sich an sich selbst genug sein lässt, allein reich ist, allein ein König, allein ein freier Mann, sich um keinen Freund bekümmert und selber niemandes Freund ist, ja sogar den Göttern den Hintern weist und alles, was im menschlichen Leben geschieht, als die größte Narrheit verlacht und verspottet?

Ein so beschaffenes Tier ist aber jener vollkommene Weise. Welche Republik wollte sich einen solchen Rat oder welches Heer einen solchen Befehlshaber wünschen? Oder welches Weib einen solchen Mann? Welcher Gastgeber einen solchen Tischgenossen? Welcher Knecht einen solchen Herrn?

Im Gegenteil, wer wollte nicht lieber einen aus dem Haufen der allernärrischesten Menschen, einen, der als Narr über die Narren herrschen könnte oder als Narr ihnen untertan sein, und an dem seinesgleichen Gefallen fände, einen der freundlich ist gegen sein Weib, umgänglich mit seinen Freunden und ein fröhlicher Tischgenosse und heiterer Gast? Kurz einen, der sich für einen Menschen hält wie alle anderen? Im übrigen hege ich schon längst tiefen Abscheu vor derlei weisen Leuten. Deshalb will ich nun zu anderen Dingen übergehen.
 
Wohlan, wenn jemand wie von einem hohen Turm Umschau hielte, welchem Ungemach das menschliche Leben unterworfen ist, wie elend und abscheulich die Geburt, wie mühsam das Großziehen, wie gefährlich die Kindheit, wie beschwerlich das Alter, wie hart der Tod, wie viel Krankheiten uns plagen und wie viel Unglücksfälle uns bevorstehen, wie viel Widrigkeiten uns zustoßen und wie alles im Leben bittere Galle ist, ganz zu schweigen von den bösen Dingen, so die Menschen selber einander an den Hals hetzen wie Armut, Gefängnis, Schmähung, Zank, Betrug und dergleichen, muss er sich doch  fragen, durch was für Sünden sie all das verschuldet haben oder welcher erzürnte Gott sie zu solchem Elend auf die Welt kommen ließ.

Ich aber bin da, ihnen in ihrem großen Elend zu helfen, teils durch Unwissenheit, teils durch Unbedachtsamkeit, bisweilen durch das Vergessen des Bösen oder durch die Hoffnung auf Gutes oder durch die Versüßung des Daseins mit den Lüsten, so dass sie gar nicht mehr gerne vom Leben lassen mögen, wenn ihnen die Parzen den Faden zu Ende gesponnen haben und der Odem sie fliehen will.

Und je weniger sie Ursache haben am Leben zu bleiben, desto größere Lust zu leben übermannt sie, so dass sie nicht mehr daran denken, wie sehr verdrießlich das weitere Erdenwallen eigentlich sei.

So ist es mein Gnadengeschenk, dass manchmal auch die ältesten Leute, die fast keine menschliche Gestalt mehr haben, die nur noch lallen, die dumm , abergläubisch, zahnlos, kahlköpfig oder, um mit Aristophanes zu sprechen, schmutzig, bucklig, runzlig, glatzig und schlapp sind und keinen Zahn mehr im Mund haben, dennoch ein so großes Vergnügen am Leben finden und sich so jugendlich betragen, dass der eine sein graues Haar färben lässt, der andere seine Glatze unter fremdem Haar verbirgt, ein dritter wieder im Mund Zähne trägt, die er sich von jemand anderem geborgt hat, und ein vierter sich gar in ein Mägdlein vergafft und ärgere Liebespossen treibt als der jüngste Geselle?

Denn dass alte und dem Grab nahe Männer ein junges, sauberes Geschöpf zum Weib nehmen, das doch einmal Fremden gehören wird, ist so üblich, dass es beinahe schon ein geheiligter und anerkannter Brauch wurde, und manfrau erlebt doch auch, wie alte Weiber, schon halb abgestorben und so leichenfahl, dass manfrau meinen könnte, sie seien aus der Hölle gekommen, doch immer noch sagen: oh du schönes Leben!

Dass sie sich betragen wie brünstige Hündinnen und einen um hohen Lohn gedungenen Jüngling an Händen führen, ihr Angesicht ständig schminken, niemals vom Spiegel fortgehen, die Haut glatt streichen,die welken und fast verfaulten Brüste zur Schau stellen, dass sie sich zu den Tänzen der Mädchen gesellen und Liebesbriefe schreiben, dies wird von jedermann als allergrößte Narrheit verlacht, was es in der Tat auch ist; aber sie finden Gefallen daran und leben voll Freude, beglückt durch meine Wohltat.

Darum möchte ich wünschen, dass alle, denen solches lächerlich erscheint, bei sich überlegen, was sie denn wohl für besser hielten: ein Leben voll Lust und Freude, oder so elend leben, dass, manfrau sich lieber aufknüpfen möchte. Dass manfrau sotanes Treiben insgeheim für schändlich hält, daran ist meinen Narren nichts gelegen, denn sie empfinden entweder nichts von diesem Übel oder achten nicht viel darauf.

Wenn einem ein Stein auf den Kopf fällt, halten sie es für ein wirkliches Übel; Schande aber und Unehre, Schimpf und böse Wünsche schaden nur, insoferne manfrau von ihnen hört und sie selber verspürt. Was verschlägts daher, wenn dich jedermann verlacht, so du nur selbst an dir Freude hast? Dass du aber solches tun kannst, bewirkt allein die Narrheit.

Doch mich dünkt, ich höre, wie  lebhaft mir die Philosophen widersprechen; sie sagen, das eben ist Elends genug: ein Narr sein, irren, betrogen werden, nichts wissen.

Ja, doch gerade das heißt ein Mensch sein!

Überdies begreife ich nicht, warum manfrau derlei für Elend ausgibt, da ihr doch so geboren und erzogen und so geschaffen seid.
Jedermann ist in solchem Zustand, und nichts ist elend, das beständig in seiner Art und Gattung bleibt, es sei denn, manfrau wollte jenen für beklagenswert halten, der nicht imstande ist, mit den Vögeln zu fliegen, nicht wie die anderen Tiere auf vier Beinen zu gehen oder nicht Hörner zu tragen wie ein Stier.

Nur ein solcher Mensch wird imstande sein, auch das  Pferd unglücklich zu nennen, weil es weder die Grammatik gelernt hat noch Kuchen zu essen bekommt, und einen Ochsen elend, weil er nicht auf den Fechtboden taugt.
Wie nun ein Pferd, deshalb nicht unglücklich ist, ist auch ein närrischer Mensch nicht unglücklich zu achten, denn die Beschaffenheit seiner Natur bringt es mit sich.

Aber hier erheben die Disputierkünstler wieder ihre Einwendungen und erklären: dem Menschen ist die Erkenntnis der Wissenschaften verliehen, damit er mit ihrer Hilfe durch Verstand und Geschicklichkeit das vermehre, was er von Natur in nur geringem Maße erhalten.

Als ob es auch nur die mindeste Wahrscheinlichkeit hätte, dass die Natur, die sich bei Fliegen, ja sogar bei Kräutern und Blumen so umsichtig gezeigt hat, beim Menschen allein so schläfrig gewesen sein sollte, dass manfrau der Wissenschaften bedürfe, die zum größten Schaden des Menschengeschlechts erfunden worden sind und so wenig zur Glückseligkeit verhelfen, weil die Wissenschaften die gleichen Urheber haben wie andere schädliche Dinge, die sich in unser Leben einschleichen, Urheber, von denen alle Laster herkommen, nämlich die Teufel oder Dämonen.

Denn jene einfältigen Leute im Goldenen Zeitalter lebten ohne Wissenschaften einzig und allein nach dem Geheiß der Natur. Wozu wäre damals auch die Grammatik nötig gewesen, da alle Leute die gleiche Zunge redeten und das Sprechen einzig den Zweck verfolgte, dass einer den anderen verstehe?

Von welchem Nutzen wäre die Dialektik gewesen, wo es keine Zwietracht und keine Verschiedenheit der Meinung gab?
Was hätte die Redekunst getaugt, wenn niemand mit dem anderen Händel hatte? Oder die Rechtsgelehrsamkeit zu einer Zeit, da noch keine bösen Sitten eingerissen waren, aus denen ohne Zweifel die guten Gesetze entstanden sind?

Außerdem waren jene viel zu fromme und ehrbar, als dass sie aus bösem Fürwitz danach getrachtet hätten, die Geheimnisse der Natur zu ergründen, die Größe, die Bewegung und Wirkung der Gestirne zu unterscheiden und die verborgenen Ursachen der Dinge, denn es wäre ihnen als frevelhaft erschienen, hätte ein sterblicher Mensch gewagt, mehr wissen zu wollen, als er wissen darf.

Doch als die Reinheit des Goldenen Zeitalters allmählich verblasste, erfanden, wie gesagt, böse Geister die Künste, aber vorerst nur wenige, und auch die wurden nur von wenigen erlernt.
Dann aber kamen die abergläubischen Chaldäer und die müßigen Griechen und fügten noch unzählige andere hinzu, Dinge ,die zu nichts sonst taugen als zum Kopfzerbrechen, so dass die Grammatik einzig und allein schon genügt, auf dass unser Leben eine unablässige Marter sei.

Und unter all diesen Wissenschaften steht nur die in hohem Ansehen, die dem allgemeinen Wahn, nämlich der Narrheit, nahe ist.
Die Theologen müssen hungern, die Naturforscher könne Kälte leiden, die Astrologen werden ausgelacht, die Dialektiker gering geachtet, doch der Medikus ist der Mann, der den Vorzug vor vielen anderen hat.

Und je weniger gelehrt, je dreister und unbedachtsamer einer ist, desto mehr gilt er bei den an goldene Halsbänder gefesselten Fürsten.
Zudem ist die Ärztekunst, wie sie heutzutage praktizieret wird, nichts anderes als ein Teil der Schmeichelei, ebenso wie die Redekunst.

Als nächste kommen die Rabulisten, ja vielleicht ist ihr Rang noch höher als der der Ärzte. Diese Wissenschaft verachten die Philosophen ins gemein als Eselei, und trotzdem wird nach dem Gutachten solcher Esel gar manches wichtige oder minder wichtige Geschäft geschlossen oder aufgelöst.

Und so nimmt das Vermögen dieser Leute zu, während ein Theologe, und hätte er es sich auch angelegen sein lassen, alle Geheimnisse der Gottheit zu erforschen, am Hungertuche nagen muss und ständig Krieg mit Wanzen und Läusen führt.

Überhaupt sind jene Künste und Wissenschaften weit glücklicher, die eine nahe Verwandtschaft mit der Narrheit haben, und am aller glücklichsten die, die sich mit den Wissenschaften überhaupt nicht hätten einlassen dürfen und einzig und allein die Natur zum Leitstern haben, die niemals irgendwo unvollkommen oder mangelhaft ist, es sei denn, wir wollten die Grenzen der menschlichen Kraft überschreiten.
Die Natur ist eine Feindin aller Schminke, und was durch keine Kunst gezwungen worden ist, wächst weit herrlicher und weit besser heran.

Wohlan, seht ihr nicht, wie unter den Tieren die am glückseligsten sind, die am weitesten von der Zucht entfernt sind und keinen anderen Lehrmeister haben als die Natur?

Welche Geschöpfe wären glückseliger oder bewundernswerter als die Bienen, und doch haben sie nicht einmal alle fünf Sinne wie wir.
Trotzdem vermag unsere Baukunst nicht, es ihnen gleich zu tun. Oder welcher Philosoph hätte jemals einen Staat besser eingerichtet als sie?

Und nehmen wir als Gegensatz das Pferd. Das hat alle Sinne, die wir Menschen haben, und ist der Gefährte des Menschen.
Darum muss es auch teilnehmen am menschlichen Elend. Und wie oft kommt es vor, dass es in der Schlacht erschossen wird und zugleich mit seinem Reiter ins Gras beißen muss!

Von den anderen Dingen will ich gar nicht reden: vom Gebiss, von den spitzen Sporen, von der Kerkerhaft im Stall, von der Peitsche, von den Zügeln, von der Last des Reiters, kurz von all seiner betrüblichen Dienstbarkeit, die es freiwillig auf sich genommen, weil es danach strebt, es den tapferen Männern gleich zu tun.

Wie viel  wünschenswerter ist das Leben der Fliegen und Vögel, das sie nur nach ihrem natürlichen Empfinden einrichten, so ferne wir sie nicht durch listige Nachstellung daran hindern.
Wenn solche Vögel im Bauer eingesperrt sind und es gelernt haben, die Stimme des Menschen nach zu ahmen, ist es gar erstaunlich, wie weit sie sich von jeder natürlichen Anmut entfernt haben.

Und überhaupt ist all das weit angenehmer, als das, was von der Kunst gemeistert wurde. So kann ich jenen Hahn nicht genug loben, der sich für den Pythagoras ausgegeben hat und erklärte, er sei zwar schon alles gewesen, ein Fisch, ein Pferd, ein Frosch, auch ein Schwan, habe aber doch kein Tier für elender gehalten als den Menschen, weil alle anderen Lebewesen in den Schranken ihrer Natur blieben und nur der Mensch allein die ihm gesetzten Grenzen überschreiten wolle.

Unter den Menschen aber ziehe er die Tölpel und Narren den Gelehrten der Welt vor. Damit stimmt überein, dass der Fabelhans Homer den Odysseus, das Musterbild eines weisen Mannes, öfters 'elend' nennt, hingegen niemals den Paris, den Ajax oder den Achilles. Warum nur?

Doch wohl deshalb, weil jener allzu weise war und sich nicht von der Natur leiten ließ. Und überhaupt sind die unter den Menschen die unseligsten, die sich der Weisheit ergeben und zweifach töricht sind, weil sie, als Menschen geboren, aber ihres Standes nicht eingedenk, nach dem Leben der unsterblichen Götter trachten und, so wie die Giganten den Himmel, über die Sturmleitern der Wissenschaft die Natur erobern wollen. Hingegen scheinen die am wenigsten aber daran zu sein, die dem dummen und törichten Vieh am nächsten kommen und sich keines Dinges unterfangen, das die menschliche Kraft übersteigt.

Und nun will ich versuchen,ob ich auch dies beweisen kann, und zwar nicht nach den Regeln der Disputierkunst, sondern an einem schlichten Exempel.
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Von der Glückseligkeit der Narren

Fürwahr, ist denn jemand glückseliger zu preisen als die Leute, die manfrau Gaukler, Narren, Dummköpfe und Hohlköpfe schimpft, Namen, die ich für die schönsten der Welt halte?

Ich will die Dinge sagen, wie sie sind, was sich zwar im ersten Augenblick närrisch und abgeschmackt anhört, in Wirklichkeit aber nichts anderes ist als die lautere Wahrheit.

Fürs erste haben solche Leute keine Furcht vor dem Tod, der wahrhaftig kein geringes Elend ist. Ihr Gewissen quält und plagt sie nicht. Sie lassen sich auch nicht durch Märchen von Verstorbenen in Angst jagen. Sie fürchten kein Gespenst und keinen Poltergeist. Sie quälen sich nicht mit der Furcht vor bevorstehendem Unglück. Sie blähen sich auch nicht auf in der Hoffnung künftigen Glückes.

Kurzum, sie lassen die tausend Sorgen nicht an sich herankommen, denen das menschliche Leben unterworfen ist. Sie schämen sich nicht, sie scheuen niemanden, sie begehren nicht Ämter noch Ehrenstellen, sie sind nicht neidisch, sie lieben nicht.

Und wenn sie endlich an Unverstand dem dummen Vieh am nächsten kommen, sündigen sie auch nicht — so lehren zumindest die Theologen.

Nun wollte ich, o närrischer Weiser, du möchtest gar wohl erwägen, von wie viel Bekümmernis dein Gemüt allenthalben gepeinigt wird, sowohl bei Nacht wie bei Tag. Sammle alle Erschwernisse deines Lebens und wirf sie zusammen auf einen Haufen, dann magst du erst erkennen, von wie mannigfachem Übel und Elend ich meine Narren freigemacht habe.

Erwäge auch, dass sie nicht nur für sich allein immer fröhlich sind, Kurzweil treiben, singen und lachen, sondern dass sie auch den anderen, mögen sie sich hinwenden, wohin sie wollen, nichts als Vergnügen, Scherz, Kurzweil und Gelächter bereiten, als wären sie durch die Gunst der Götter dazu bestimmt,die Traurigkeit des menschlichen Lebens in Freude und eitel Lust zu verwandeln.

Daher kommt es, dass sie alle insgesamt einander ernähren, aufnehmen, einander beispringen, wenn sich ein Unfall ereignet, und alles, was sie reden oder tun, geht ihnen straflos durch.

Auch die Mitwelt begehrt nicht, ihnen zu schaden; ja sogar die wilden Tiere scheuen sich aus einer natürlichen Empfindung für ihre Unschuld, sie zu kränken. Denn sie sind in der Tat den Göttern heilig, in Sonderheit mir, und deshalb wird ihnen mit Fug und Recht derlei Ehre erwiesen.

Selbst die größten Könige finden an ihnen solches Vergnügen, dass gar viele der Mächtigen ohne sie weder Tafel halten noch reisen, ja sie keine einzige Stunde entbehren können. Sie ziehen ihre Narren den düsteren Weisen vor, wenngleich sie des äußeren Ansehens halber meist auch einige solche an ihrem Hof halten.

Dass aber jene den Vorzug haben, das darf niemandem verwunderlich erscheinen, denn die Weisen liegen ihren Fürsten immer nur mit verdrießlichen Dingen in den Ohren und tragen im Vertrauen auf ihre Gelehrsamkeit kein Bedenken, ihnen manchmal die zarten Ohren mit der Wahrheit zu kratzen. Die Narren aber bringen vor, wonach ihre Gebieter trachten: Scherz, Kurzweil, Gelächter und andere Ergötzlichkeiten.

Nun vernehmt noch von einer weiteren löblichen Eigenschaft der Narren! Sie allein sind aufrichtig und wahrhaft. Was könnte aber löblicher sein als die Wahrheit?

Was ein Narr im Herzen hat, das zeigt er entweder durch seine Mienen an oder gibt es durch Worte kund. Die Weisen jedoch haben zwei Zungen, und mit der einen sprechen sie die Wahrheit, mit der anderen aber das, was sie im gegebenen Fall für günstig halten. Sie sind es, die Schwarz in Weiß verkehren, mit dem gleichen Munde sowohl warm wie kalt blasen und etwas ganz anderes in ihren Reden vorbringen, als sie im Herzen verbergen.

Doch da könnte jemand sagen, die Ohren der Fürsten hegten Abscheu vor der Wahrheit, und deswegen wollten sie mit jenen Weisen nichts zu tun haben, weil sie befürchten müssten, es könnte sich jemand die Freiheit nehmen und es wagen, mehr Wahrheiten als angenehme Dinge zu sprechen.

Und so ist es auch.

Die Wahrheit ist den Königen verhasst. Muss manfrau da nicht mit Verwunderung sehen, dass von meinen Narren nicht allein Wahrheiten, sondern auch sogar offenbare Schmähworte mit Freuden angehört werden, und gar manchmal hätte das, was sie gesagt haben, einem Weisen das Leben gekostet, da es aber ein Narr gesagt, war es ein Born unvergleichlicher Freude.

Denn die Wahrheit hat eine gewisse Kraft, zu belustigen, wenn sonst nichts dabei ist, was einen kränken könnte. Und diese Fähigkeit haben die Götter einzig und allein meinen Narren zu eigen gegeben.

Fast aus demselben Grund freuen sich auch zumal Weibspersonen über solche Leute, die ihrem Wesen nach zur Wollust und zur Kurzweil neigen, wie denn überhaupt dieses Geschlecht ein ganz besonderes Gefallen daran hat, sein Tun und Lassen zu beschönigen.

Nun will ich aber wieder auf die Seligkeit der Narren kommen. Wenn sie ihr Leben mit viel Freude und Vergnügen gelebt haben, reisen sie geradenwegs ohne jede Furcht vor dem Tod ins Elysium, um auch dort die frommen und müßigen Seelen mit ihrer Kurzweil zu erheitern.

Nun komme jemand und vergleiche mir einen Weisen, wer immer er auch sein mag, mit einem sotanen Narren und seinem Zustand.

Denk dir selbst ein solches Muster der Weisheit, nämlich einen Menschen, der seine Kindheit und seine Jugend Jahre mit dem Studium der Wissenschaften zugebracht, den schönsten Teil seines Daseins mit beständigem Wachen, Sorgen und Arbeiten verdorben, auch sonst in seinem ganzen Leben nicht die geringste Freude verkostet hat, sondern allezeit sparsam gewesen ist, arm, traurig, abscheulich, gegen sich selbst hart und streng, anderen aber beschwerlich und widerwärtig, einen, der bleich und mager aussieht, krank ist, Triefaugen hat, vor Alter kaum kriechen kann, mit grauem Haar, das ihm vor der Zeit gewachsen, ebenso wie er vor seiner Zeit aus der Welt absegelt.

Gleichwohl, was ist daran gelegen, wenn ein solcher stirbt? Hat er doch niemals gelebt! Da hättet ihr nun das Konterfei eines so vortrefflichen Weisen.

Nun aber kommen wieder die Stoiker und fallen mir ins Wort und sagen, nichts sei elender als Unvernunft. Das aber ist erst recht Narrheit und entweder nicht weit entfernt von der Unvernunft oder gar die Unvernunft selbst.

Denn was heißt unvernünftig sein anderes als in seiner Ansicht irren? Und diese (die Stoiker) irren und haben den Weg gänzlich verfehlt. Wohlan, auch ihnen wollen wir ihre Schlussfolgerung mit dem gütigen Beistand der Musen über den Haufen werfen.

Es gibt eine gedoppelte Unvernunft und Raserei. Die eine schicken uns die grausamen Rachegöttinnen aus der Hölle an den Hals, sooft sie durch ihre Schlangenbrut den Menschen entweder die hitzige Begierde nach Krieg oder den unersättlichen Durst nach Geld ins Herz pflanzen oder eine unziemliche oder schändliche Liebe, Mord und Totschlag, Blutschande, Dieberei und andere verderbliche Laster, oder wenn sie ein empfindliches und vom Bösen überzeugtes Gemüt ängstigen und quälen.

Die andere Art aber ist jener ganz ungleich, die Art nämlich, die von mir kommt und die vor allen anderen wünschenswert ist. Das ist nämlich dann der Fall, sooft ein angenehmer Irrtum das Gemüt von allen ängstlichen Sorgen befreit und mit unbezwinglicher Lust erfüllt.

Und war nicht auch jener Argiver ganz meiner Ansicht, der insofern unsinnig war, dass er ganze Tage im Theater sitzen blieb und beständig lachte und klatschte und sich freute, weil er vermeinte, er sehe das angenehmste Schauspiel, obgleich gar nichts zu sehen war?

Sonst aber führte er sich als rechtschaffener Bürger auf, betrug sich freundlich gegen sein Weib, liebreich gegen seine Freunde, mild gegen seine Leibeigenen und wusste einen guten Wein gar wohl von einem schlechten zu unterscheiden.

Nachdem ihn nun seine Anverwandten durch mancherlei Arzneien von seiner Krankheit geheilt und wieder zur Vernunft gebracht hatten, gab er ihnen folgenden Verweis: „Fürwahr, ihr lieben Freunde, ihr habt mich getötet und keineswegs gesund gemacht, da ihr mir alle meine Freuden raubtet und mich aus einem so lieblichen Wahn risset."

Dies sagte er mit vollem Recht, denn jene waren irriger Meinung und bedurften eher als er einer Arznei, weil sie geglaubt hatten, manfrau müsse eine so angenehme und glückselige Raserei durch allerlei Tränklein kurieren, als wäre sie eine üble Krankheit.

Doch habe ich noch nicht behauptet, ein jeder Irrtum unserer Sinne oder unseres Verstandes sei als Unvernunft oder als Wahnsinn zu bezeichnen.

Denn wenn einem, der Triefaugen hat, ein Maultier als Esel erscheint oder wenn jemand ein schlechtes Gedicht als grundgelehrt bewundert, wird er mir nicht gleich als Rasender erscheinen.

So aber einer nicht nur in seinen Sinnen, sondern auch in seinem Verstand irrt, und zwar gegen allen Brauch der Menschen und das immer wieder, wird er nicht weit vom Wahnsinn entfernt sein.

Und ist diese Art des Wahnsinnes, was fast immer geschieht, mit Vergnügen verbunden, bereitet sie sowohl dem, der davon befallen ist, große Freude, wie auch allen anderen, die zusehen und doch von diesem Wahn frei sind.

Sotane Unvernunft ist weit öfter zu finden, als sich die Leute" gemeiniglich einbilden. Ein Narr lacht den anderen aus, und so bereiten sie einander wechselseitig Vergnügen, und oft beobachtet manfrau, dass der größere Narr den kleineren besonders laut verlacht.

Ich vermeine jedoch, dass jeder um so glückseliger sei, je mehr Narrheiten er begeht, sofern er nur bei solchen Narrheiten bleibt, die von mir stammen.

Und der Umfang dieser Narrheiten ist so groß, dass ich daran zweifle, ob manfrau unter dem ganzen Haufen der Sterblichen einen finden könnte, der immer nur weise und verständig wäre und in keinem Stück auch ein Narr, ob der Unterschied gleich nur darin besteht, dass manfrau den, der einen Kürbis für eine Frau ansieht, einen Narren nennt, weil derlei Irrtum selten vorkommt, wenn aber jemand sein Weib, das er mit vielen anderen gemein hat, für eine keusche Penelope hält, heißt ihn niemand einen Narren, eben weil manfrau weiß, dass das bei wackeren Männern gar oft der Fall ist.
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Vom edlen Weidwerk, von Bauherren,
Alchimisten und Spielern

In dieses Gebiet gehören auch solche, die alles andere verachten außer der Jagd, und sagen, sie verspürten dann die größte Freude, wenn sie den düsteren Klang des Hifthorns oder das Gebell der Meute hörten.

Ich glaube, wenn sie Hundedreck riechen, duftet er ihnen wie Zimmet, und welch ein Vergnügen bereitet es ihnen, sooft es gilt, ein Stück Wildpret auszuweiden?

Stiere und Schöpsen mag auch der gemeine Mann zerstückeln, ein Wildpret darf aber von niemandem zerfleischt werden als von einem Edelmann, und dieser zerteilt es mit entblößtem Haupt und gebeugtem Knie, ein Jagdmesser in der Hand — denn mit keinem anderen Messer darf das geschehen —, mit besonderen Gebärden in vorgeschriebener Reihenfolge, die er sorgfältig einhält.

Das umstehende Volk gafft und verwundert sich, als wäre es etwas Neues, obwohl manfrau dergleichen Schauspiel schon tausendmal gesehen hat.
Und bekommt einer gar etwas davon zu kosten, bildet er sich ein, er sei geadelt worden.

Ob solche Leute gleich durch ihre ständige Jägerei und ihr Wildpretfressen nichts anderes erreichen, als dass sie selber fast zu wilden Tieren werden, meinen sie dennoch, sie führten ein königlich Leben.

Sehr nahe kommen ihnen jene, die von der unersättlichen Begierde besessen sind, zu bauen, und bald aus etwas Rundem etwas Viereckiges machen, bald aus Viereckigem Rundes.
Hierin wissen sie weder Maß noch Ziel zu halten, bis sie schließlich in äußerste Armut geraten und nichts mehr zum Wohnen oder zum Essen übrig haben.
Was nun weiter? Doch immerhin, sie haben etliche Jahre in großer Freude dahin gebracht.

Hierher scheinen auch die zu zählen, die sich unterfangen, durch neue und geheime Künste ein Ding in ein anderes zu verwandeln, und überall nach einer Quintessenz trachten.
Ihre honigsüße Hoffnung spendet ihnen so angenehmen Trost, dass keine Mühsal und keine Kosten sie reuen.

Mit bewundernswertem Verstand ersinnen sie immer wieder Neues, um sich selbst zu betrügen und sich auf angenehme Weise hinters Licht zu führen, bis sie endlich alles verdestilliert haben und ihnen schließlich nicht mehr so viel bleibt, einen gewöhnlichen Ofen zu heizen.

Dennoch lassen sie nicht von ihren angenehmen Träumen und hören nicht auf, auch andere zu ebensolcher Seligkeit zu verleiten.

Wenn sie nun gar keine Hoffnung mehr haben, bleibt ihnen dennoch ein Kernsprüchlein zu ihrem Trost: In großen Dingen genügt es auch, gewollt zu haben.

Ferner beklagen sie die Kürze des menschlichen Lebens, denn dieses habe zur Vollendung einer so großen und wichtigen Sache nicht hin gereicht.

Ferner erwäge ich, ob nicht auch die Spieler in unser Collegium aufzunehmen seien. Jedenfalls ist es ein gar lächerlich und närrisch Spektakel, wenn manfrau sieht, wie manche Menschen dem Spiel so sehr ergeben sind, dass ihnen das Herz freudig hüpft und pocht, sobald sie nur die Würfel klappern hören.

Haben sie dann in der Hoffnung auf Gewinn ihr ganzes Vermögen vertan und ist ihr Schifflein an der Klippe der Spiellust gescheitert, so dass sie kaum nackend mit dem Leben davonkommen, betrügen sie lieber andere Leute als die, so ihnen das Ihre abgenommen haben, nur damit sie als ehrlich und wacker gelten mögen.

Und wenn gar Alte spielen oder Blinde mit Glasaugen? Oder wenn ihnen die gerechte Gicht die Glieder so steif macht, dass sie um Lohn einen Stellvertreter dingen, der statt ihrer die Würfel aus dem Becher schmeißt?

Ferner sind auch die auf die Liste der Narren zu setzen, die ihre Freude daran haben, wundersame Geschichten und sonderbare Lügen anzuhören oder zu erzählen.

Manfrau kann nicht satt werden an dergleichen Fabeln, in denen übernatürliche Dinge berichtet werden, Begebenheiten mit Gespenstern, Teufeln und Poltergeistern, höllische Erscheinungen und tausend ähnliche Wunderdinge, die manfrau desto lieber glaubt, je weiter sie von der Wahrheit entfernt sind.

Und diese Dinge sind nicht nur als Zeitvertreib nützlich, sondern sie dienen auch zum Gelderwerb, zumal den Pfaffen und Predigern.
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Über Aberglauben und derlei Unsinn mehr

Dazu zählen auch jene Käuze, die den zwar närrischen, aber angenehmen Glauben haben, sie würden, wenn sie eine Darstellung des Christophorus sähen, am selbigen Tage nicht umkommen, oder dass einer, der eine geschnitzte Barbara mit den vorgeschriebenen Worten anruft, unversehrt aus der Schlacht hervorgehe.

Und was soll ich von denen sagen, die mit ihrem erdichteten Sündenablass so angenehm zu schmeicheln wissen, die Stunden im Fegefeuer gleichsam nach der Uhr abzählen und die Jahre, Monate und Tage gewissermaßen nach einer mathematischen Tafel berechnen, ohne einen Fehler zu begehen, oder von solchen, die auf Zauberzeichen und Gebete vertrauen, auf Talismane, die ein ehrlicher Betrüger entweder zum Spaß oder des Gewinnes halber erdacht hat, und sich nun alles im Überfluss einbilden:
Reichtum, Ehre, Vergnügen, ewige Gesundheit, langes Leben, jugendfrisches Alter und schließlich den Ehrenplatz im Himmel an Christi Seite — doch diesen Platz begehren sie erst in späten Jahren, wenn die Lüste des Lebens sie verlassen haben und sie sich nun den himmlischen Ergötzlichkeiten zuwenden.

Da meint ein Kaufmann oder ein Soldat oder ein Amtmann, sofern er nur einen einzigen Pfennig von seinem Raub hingeworfen hat, von allem Unflat seines Lebens gereinigt zu sein, und alle seine Meineide, seine Hurerei, sein Saufen, seine Händelsucht, seine Mordtaten, seine Betrügereien, seine Treulosigkeit und sein Verrat würden ihm kraft eines abgeschlossenen Vertrages erlassen, und zwar so, dass er von neuem anfangen dürfe zu sündigen.

Und wer könnte närrischer sein oder vielmehr glückseliger als solche Leute, die Tag für Tag jene sieben Verse aus den heiligen Psalmen her sagen und sich dabei die größte Seligkeit einbilden; trotzdem soll diese Zauberverse ein böser Geist, voll Kurzweil, aber mehr leichtsinnig als spitzfindig, dem heiligen Bernhard gezeigt haben.

Doch der arme Teufel wurde gar sinnreich abgewiesen. Solche Dinge sind so närrisch, dass ich mich selbst beinahe schäme, und doch werden sie nicht nur vom Pöbel geglaubt, sondern sogar von Lehrern der Religion.

Hierher gehört es auch, wenn sich jedes Land seinen eigenen Heiligen beilegt oder wenn manfrau jedem Heiligen ein besonderes Amt überträgt und jedem eine bestimmte Art der Verehrung weiht, so dass der eine bei Zahnschmerzen zu Hilfe kommen, der andere den Gebärenden beispringen muss, wieder ein anderer gestohlene Sachen herbeischaffen soll, dieser den Schiffbrüchigen helfen, jener die Herde beschützen und dergleichen mehr, denn das alles aufzuzählen, wäre viel zu lang.

Es gibt unter ihnen auch welche, die in mehreren Dingen gleichzeitig helfen können, insbesondere die Mutter Gottes, der das gemeine Volk fast mehr Ehre erweist als ihrem Sohn.

Was begehren aber die Menschen von den Heiligen anderes als Dinge, die zur Narrheit gehören?

Habt ihr je unter den Votivgaben, mit denen manfrau alle Wände, ja sogar das Gewölbe der Gotteshäuser angefüllt sieht, jemals eine Danksagung dafür gewahrt, dass einer aufgehört hat, ein Narr zu sein, und nur um ein Haar glücklicher geworden wäre?

Da hat sich einer durch Schwimmen aus den Fluten gerettet, ein anderer ist vom Feind niedergestochen worden und doch am Leben geblieben. Ein anderer konnte, während die übrigen noch tapfer kämpften, glücklich und herzhaft entrinnen, wieder ein anderer fiel, da er schon am Galgen hing, durch die Gnade eines Heiligen, der der Patron der Diebe ist, herunter, so dass er nun fortfahren kann, Leute zu bestehlen, die mit allzu großem Reichtum beschwert sind.

Da ist einer aus dem Gefängnis ausgebrochen, ein zweiter zum Ärger des Medicus vom Fieber genesen, einem dritten hat das Gift, das manfrau ihm gab, nicht nur nicht geschadet, sondern genützt, zum großen Verdruss seiner Frau, die Mühe und Kosten vergebens gehabt hat.

Wieder einer schmiss mit dem Wagen um und hat doch seine Rösser unversehrt heim gebracht; einen verschüttete ein einstürzendes Haus, und er blieb am Leben, einen anderen ertappte ein Mann bei seiner Frau, hat ihn aber nur ausgelacht.

Kein einziger aber bedankt sich dafür, dass er von der Narrheit erlöst worden sei.

So angenehm ist es nun, nicht gescheit zu sein, dass die Menschen viel lieber alles andere missen wollen als die Narrheit.

Doch warum wage ich mich aufs Meer des Aberglaubens? Hätte ich hundert Zungen, hundert Mäuler und eine eherne Stimme, ich könnte doch nicht alle Arten der Narren und alle Namen der Torheiten aufzählen, so tief steckt das ganze Leben aller Christen in Narrheit und Aberglauben, und die Priester lassen es ohne Verdruss zu, im Gegenteil, sie bestärken das Volk darin, weil sie gar wohl wissen, wie sehr es ihnen frommt.

Ferner gehören in mein Collegium noch die, so es sich so angelegen sein lassen, Verfügungen zu treffen, mit welchen Feierlichkeiten sie bestattet werden sollen, und bis ins einzelne vorschreiben, wie viel Fackeln, wie viel Leute in Trauerkleidern, wie viel Sänger und wie viel Klageweiber sie dabei haben wollen, als ob sie von diesem Gepränge etwas sehen könnten oder als ob sie sich auch nach dem Tod schämten, würde ihr Leichnam nicht prächtig begraben.
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Vom Adelsstolz, Eigenliebe und Einbildung

Ob ich gleich eile, kann ich doch jene nicht stillschweigend übergehen, die sich mit ihrem Adel so großartig dünken, wenn auch zwischen ihnen und dem geringsten Kerl kein Unterschied besteht. Bald will einer von Äneas abstammen, bald einer von Brutus, und ein anderer leitet sein Geschlecht von Artus her.

Einem jeden zeigen sie die geschnitzten oder gemalten Bildnisse der Vorfahren. Sie zählen ihre Ur- und Urur-großväter an den Fingern her und sagen, was für Beinamen jene geführt, und dabei sind sie selbst nicht viel besser als die stummen Bildsäulen, die sie zeigen. Dennoch führen sie in ihrem angenehmen Eigendünkel ein gar glückselig Leben.

Doch was rede ich viel von der einen oder anderen Art solcher Narren, als ob nicht überall Leute zu finden wären, denen die Eigenliebe das Leben süß und angenehm macht?

Da ist einer hässlicher als ein Affe und bildet sich ein, er sei der Schönste auf Erden. Ein anderer meint, sobald er nur etliche Linien mit dem Zirkel gezogen, er sei ein vollkommener Euklid. Ein anderer, der sich anstellt wie der Esel zum Lauteschlagen und übler kräht als ein Hahn, vermeint gleichwohl, ein zweiter Orpheus zu sein.

Die aller angenehmste Art der Narrheit ist es aber, wenn sich jemand dessen, was die Seinen Gutes haben, genau so rühmt, als wäre es sein Eigen.

Ein solcher war jener Mann, der, wenn er ein Histörchen erzählen wollte, Knechte zur Hand hatte, die ihm die Namen vorsagen mussten, und der es auch gewagt hätte, sich mit Fechtern in einen Kampf einzulassen, obwohl er so schwach war, dass er kaum schnaufen konnte; doch er verließ sich darauf, dass er zu Hause viele starke Kerle hatte.

Und was soll ich ein langes und breites von den Lehrern der freien Künste sagen, denn diesen ist die Eigenliebe ganz und gar ein gewachsen, so dass manfrau eher einen fände, der auf sein väterlich Erbe verzichtete, als einen, der einem anderen den Ruf des größeren Wissens oder der größeren Kunst zu gestünde.

Diese Narrheit findet sich in Sonderheit bei den Komödianten, Rednern und Dichtern, denn je ungeschickter einer von diesen Leuten ist, desto mehr bildet er sich ein, desto mehr prahlt er und bläht sich auf. Und solche Narren finden immer andere Narren. Ja, je toller etwas ist, desto mehr Bewunderer gibt es dafür.

Ist also jemand ungeschickt, bereitet er sich selbst Freude, und viele andere staunen ihn an. Was hätte er also für Ursache, sich wahrhaftige Gelehrsamkeit zu wünschen, die ihn doch erstlich viel kosten und ihn auch weit furchtsamer machen würde?

Nun sehe ich aber auch, dass die Natur nicht nur jedem Menschen seine Eigenliebe eingepflanzt hat, sondern auch allen Nationen und Städten.

So kommt es, dass die Briten sich neben anderen Dingen besonders ihrer Musik, ihrer Schönheit und ihrer prächtigen Tafel rühmen; die Schotten bilden sich viel ein auf ihren Adel, auf ihre königliche Verwandtschaft und auf die Spitzfindigkeit im Disputieren; die Franzosen nehmen den Ruhm in Anspruch, das höflichste Volk zu sein; die Pariser wollen vor allem Meister der Theologie heißen; die Italiener brüsten sich mit schönen Künsten und der Beredsamkeit und schmeicheln sich, allein unter allen Menschen keine Barbaren zu sein.

Am glücklichsten aber sind unter ihnen die Römer, die sich noch immer in den schönsten Träumen vom alten Rom wiegen. Die Venezianer meinen, mit ihrem Adel glücklich zu sein, die Griechen preisen sich als Erfinder der Künste und Wissenschaften und pochen auf ihre berühmten Helden; die Türken, ja der ganze Schwarm der echten Barbaren, eignen sich das Lob an, eine wahre Religion zu haben, und lachen die Christen als abergläubische Leute aus.

Die Juden aber warten noch immer in heißem Verlangen auf ihren Messias und halten dabei an ihrem Moses fest. Die Spanier schreiben die Tapferkeit und die Kriegserfahrung niemand anderem zu als sich selbst, und den Deutschen gefällt wieder ihre große Gestalt und ihr Wissen in der Zauberkunst.

Und im übrigen brauche ich nichts mehr zu sagen, denn jetzt erkennt ihr, wie ich glaube, schon, dass die Eigenliebe, allen und jedem gar großes Vergnügen bereitet.

Ihre Schwester, die Schmeichelei, kommt ihr hierin fast gleich, denn die Eigenliebe ist nichts anderes, als wenn sich jemand selbst schmeichelt. Und es heißt eben Schmeichelei, tut er es bei anderen. Zwar steht sie heute in schlechtem Ruf, aber nur bei solchen, die mehr auf die Worte sehen als auf die Sache selbst. Sie meinen, Schmeichelei und Treue könnten nicht gut nebeneinander bestehen?

Dass aber dem nicht so ist, hätten sie schon von den unvernünftigen Tieren lernen können. Denn was wäre schmeichlerischer als ein Hund? Und wo gäbe es ein getreueres Tier? Was schmeichelnder als ein Eichkätzchen? Und welches Tier ist freundlicher gegen die Menschen?

Freilich findet manfrau auch schädliche Schmeichelei, durch welche treulose und spöttische Leute Einfältige ins Verderben stürzen. Doch meine Schmeichelei kommt von einem zarten Wesen und einem aufrichtigen Gemüt her und ist mit der Tugend weit enger verbunden als ihr Gegenteil, die Unfreundlichkeit oder die unanständige, lästige Verdrießlichkeit.

Denn sie richtet niedergeschlagene Gemüter auf, erfreut Traurige, ermuntert Träge, frischt Schläfrige auf, erleichtert Kranke, zähmt Wilde, stiftet Liebschaften und hält sie aufrecht. Sie verlockt die Jugend zum Studieren, erfreut die Alten, bringt den Fürsten unter dem Schein des Lobes gute Lehren bei, ohne sie zu beleidigen, kurz, sie bewirkt, dass ein jeder sich selbst lieb und wert wird, und dies ist wahrhaftig keine geringe Glückseligkeit.

Gibt es wohl etwas Gefälligeres, als wenn ein Esel den anderen leckt? Ich will gar nicht erwähnen, dass die Schmeichelei einen großen Teil der so gepriesenen Beredsamkeit ausmacht, einen noch größeren der Heilkunde und den allergrößten der Dichtkunst.

Und schließlich ist sie der Honig und das Gewürz im menschlichen Umgang. Doch manfrau hält es für etwas Erbarmungswürdiges, wenn manfrau auf solche Art hinters Licht geführt und betrogen wird, denn diejenigen sind allzu töricht, die glauben, die Seligkeit der Menschen bestehe in den Dingen selbst; sie besteht vielmehr in den Meinungen, denn die Dunkelheit und die Vielfalt der Dinge im menschlichen Leben sind so groß, dass manfrau nichts klar und deutlich wissen kann.

Und wenn manfrau einmal etwas klar wissen kann, zerstört es gar oft die Lust am Leben. Schließlich ist das menschliche Gemüt so beschaffen, dass es viel eher vom Schein als von der Wahrheit gefangen genommen wird.

Will jemand einen alltäglichen Beweis dafür haben, besuche er nur die Kirche und höre die Predigt. Denn wird dort etwas Ernsthaftes erzählt, ist jedermann schläfrig, unachtsam und verdrießlich. Wenn aber ein Schreier — ich habe mich versprochen, ich wollte sagen: ein Redner — ein Altweibermärlein vorbringt, was gar oft geschieht, wachen alle auf, strecken den Kopf in die Höhe und schnappen fast mit dem Maul danach.

So geht es auch mit den Heiligen: je mehr erfundene Fabeln von ihnen erzählt werden, desto inbrünstiger werden sie verehrt, inniger als Petrus oder Paulus oder gar Christus selbst. Willst du ein Exempel dafür, so denke nur an so einen Georg oder Christoph oder an so eine Barbara. Doch das gehört nicht hierher. Und wie wenig kostet solche Glückseligkeit!

Andere Dinge, selbst die geringsten, muss manfrau sich mit viel Mühsal schaffen und aneignen, zum Exempel die Grammatik. Aber eine Meinung, die doch eben soviel zur Glückseligkeit beiträgt oder vielleicht noch mehr, kann manfrau gar leicht annehmen. Gesetzt den Fall, es äße jemand einen faulen Seefisch, den ein anderer nicht einmal mehr riechen kann, doch er schmeckte ihm dennoch wie die angenehmste Speise — ja, sollte ein solcher nicht glücklich sein? Hat einer eine überaus hässliche Frau und sie dünkt ihn so schön, dass sie mit der Venus selbst wetteifern könnte, ist er da nicht glücklicher, als wenn sie wahrhaft schön wäre?

Ich kenne einen, der seiner jungen Gemahlin falsche Edelsteine schenkte und ihr einredete, sie seien von unschätzbarem Wert. Und das arme Mägdlein erlabte Augen und Gemüt auf das angenehmste an dem Glas und verwahrte die schlechten Dinge ebenso sorgfältig wie den kostbarsten Schatz. Der Mann aber sparte die Kosten, lachte über die Einfalt der Frau, und sie war ihm doch so dankbar, als hätte er ihr alle Kostbarkeiten der Welt geschenkt.
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Was die Menschheit ihr (der Narrheit) schulde

Manfrau pflegt dem Bacchus viel Schönes nachzusagen, und das Schönste davon ist, dass er die Sorgen vertreibe, wenngleich nur für kurze Zeit. Denn sobald einer den Rausch ausgeschlafen hat, stellen sich auch die Kümmernisse gleich wieder ein.

Da lob' ich mir meine Wohltat, ist sie doch weit vollkommener, denn ich sättige das Gemüt in einem beständigen Rausch mit Freude, Wonne und Vergnügen, und zwar ohne jede Mühe. Ich lasse es auch keinem Sterblichen an dieser Gabe fehlen, während die übrigen Geschenke der Götter nicht gleichmäßig verteilt sind.

Der Wein, der die Sorgen vertreibt, wächst nicht überall. Das Geschenk der Venus, nämlich die Schönheit, ist nur wenigen gegeben, wenigen auch Beredsamkeit, Reichtum und alles andere. Nur ich umfasse alle mit gleicher Güte.

 Ich bestehe nicht auf der Erfüllung von Gelübden, ich zürne nicht und begehre keine Sühneopfer, wenn in meinem Dienst etwas vernachlässigt ward. Und in diesen Dingen sind die anderen Götter so rappelköpfig, dass es fast sicherer ist, sie gar nicht zu verehren, so wie es auch Menschen gibt, so empfindlich und so leicht zum Zorn zu reizen, dass es besser wäre, manfrau hätte mit ihnen überhaupt nichts zu schaffen.

Freilich opfert niemand der Narrheit oder erbaut ihr einen Tempel, doch bin ich von sanftem Gemüt und lasse es geschehen, und sagt mir: was sollte ich viel nach ein wenig Weihrauch oder nach geschlachteten Tieren trachten, da mir doch alle Sterblichen Dienste leisten.

Denn mich verehrt manfrau am andächtigsten. Jeder weiht sich mir, jeder nimmt meine Gebote auf sich und richtet nach mir sein Leben.

Solche Frömmigkeit ist nirgends anzutreffen, nicht einmal bei den Christen, denn gar mancher zündet der Mutter Gottes ein Wachskerzlein an, und sei es auch am hellen Mittag, da es gar nicht nötig ist, aber nur wenige bemühen sich, ihr durch ein reines und keusches Leben und durch Demut und Bescheidenheit nachzufolgen. Das aber wäre erst die wahre Verehrung und den Heiligen am angenehmsten.

Wozu soll ich auch einen Tempel begehren, da die ganze Welt mein allerschönster Tempel ist? Auch an Priestern mangelt es mir nicht, solange es Menschen gibt. Ich bin ferner nicht gar so töricht, dass ich steinerne und mit Farbe bekleckste Bilder haben möchte, Bilder, die der wahren Verehrung zuweilen hinderlich sind, denn manche Leute beten die Zeichen an und nicht die Götter, und oft kommt es vor, dass einer, der von einem anderen im Amt vertreten wird, diesem anderen schließlich das Feld räumen muss.

Mir müsste manfrau überhaupt so viele Bildsäulen aufrichten, als es Menschen gibt, die mein lebend Bild in sich tragen, ob sie nun wollen oder nicht. Und dann habe ich gar keine Ursache, die anderen Götter zu beneiden, denn mir bringt die ganze Welt weit bessere Opfer dar.

Und wenn da einer meint, es sei eine allzu verwegene Behauptung, was ich sage, so will ich nun das Leben der Menschen etwas genauer betrachten, damit offenbar werde, wie viel sie mir schulden und wie hoch mich sowohl die Größten wie die Geringsten achten.

Ich will nicht das Leben aller beschreiben, denn das wäre viel zu lang, sondern nur das der Wichtigsten und Vornehmsten, nach denen manfrau auch die übrigen beurteilen mag: vom gemeinen Volk brauche ich offenbar nicht zu sprechen, denn das ist ohne jeden Zweifel ganz mir zu eigen, steckt es doch all überall so voll von jeglicher Torheit und erdenkt täglich so viele neue Albernheiten, dass tausend Demokrite nötig wären, ausreichend darüber zu lachen, obgleich auch diese Demokrite ihren eigenen Demokrit brauchen könnten.

Was treiben sie nun? Der eine verliebt sich in ein Weib, und je weniger er geliebt wird, desto inbrünstiger und heftiger liebt er. Jener heiratet, aber nur die Mitgift und nicht die Frau. Ein dritter hängt seiner Gattin einen Schandfleck an, und wieder ein anderer ist eifersüchtig und behütet sie wie ein Argus.

Und was für ungereimte Dinge geschehen bei Begräbnissen? Der eine weint am Grab seiner Stiefmutter, der andere bestellt Klageweiber, um seine Trauer zu zeigen. Dann gibt es wieder solche, die alles für ihren Bauch verwenden, was immer sie nur erraffen können, und müssten sie auch kurze Zeit danach schon bitteren Hunger leiden.

So mancher hält Schlaf und Müßiggang für das beste. Ferner gibt es Leute, die fremde Geschäfte führen und ihre eigenen versäumen. Und viele dünken sich reich, wenn sie mit entlehntem Geld das Entlehnte bezahlen, und dabei stecken sie so tief in Schulden, dass sie gar bald von Haus und Hof verjagt werden.

Dann kenne ich Menschen, die es für die größte Seligkeit halten, wenn sie wie Bettler leben und ihre Erben reich machen. Manche meinen, manfrau könnte am sichersten zu Reichtum gelangen, wenn manfrau es mit alten Männern hält, die keine Kinder haben, und es fehlt auch nicht an solchen, die ein gleiches durch Zärtlichkeiten bei alten Weibern zu erhäschen hoffen.

Und das größte Vergnügen für die Götter, die das Schauspiel beobachten, ist es, werden solche von denen, die sie am liebsten umgarnen möchten, hinters Licht geführt.
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Vom Kaufmannsstand und von den reichen Leuten

Die närrischesten und verächtlichsten Menschen sind die Kaufleute, denn sie gehen mit verächtlichen Dingen um und auf die aller verächtlichste Weise; sie schwören falsch, sie stehlen, sie betrügen und wollen dennoch für vornehm gelten, weil sie ihre Finger in Gold gewickelt haben.

Als Gegensatz hierzu findet manfrau die Pythagoreer, denen alles, was sie sehen und was sie unverwahrt antreffen, als Gemeingut erscheint und die es seelenruhig mit sich nehmen, als wäre es ihnen durch Erbschaft vermacht.

Der Reichtum mancher Leute besteht in Gelübden. Sie träumen von der Zukunft und bilden sich dabei ein, glücklich zu sein.

Manche wollen nach außen als reich gelten und leiden zu Hause bittersten Hunger. Wir finden auch Menschen, die ihr Vermögen nicht rasch genug vertun können, während andere alles an sich bringen müssen, gleichgültig mit welchen Mitteln.

Der eine bemüht sich um ein öffentliches Amt, der andere ist daheim an seinem Herd zufrieden. Gar viele führen unaufhörlich Prozesse, damit die Advokaten reich würden.

Mancher beginnt allerlei Neuerungen; jener unternimmt etwas Großes und ein anderer wallfahrtet nach Jerusalem, nach Rom oder nach Compostella in Spanien, wo er gar nichts zu suchen hat, und lässt Weib und Kind zu Hause.

Kurz gesagt, wenn jemand vom Mond aus das mannigfache Treiben der Sterblichen beobachten könnte, fürwahr, er würde vermeinen, einen Haufen von Schnaken zu sehen, die miteinander hadern und Krieg führen, einander nachstellen, rauben, Mutwillen treiben, geboren werden, sterben und umkommen.

Manfrau sollte nicht glauben, was für Unruhe und welches Unglück dieses winzige Tierchen erwecken kann, das so bald umkommt. Denn auch ein kleiner Krieg oder eine kleine Seuche genügt, und viele Tausende werden auf einmal dahin gerafft, als hätte der Wind sie verweht.
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Von Grammatikern, Poeten, Oratoren und Skribenten

Doch ich wäre wert, dass Demokrit mich rechtschaffen verlachte, wollte ich nun fortfahren, alle Arten der üblichen Narrheit und Unvernunft aufzuzählen.

Vielmehr will ich mich nun an jene machen, die unter den Menschen im Ansehen der Weisheit stehen, und so trachte ich nun, nach dem goldenen Ast zu greifen, auf dem, wie Vergil sagt, die Grammatiker sitzen.

Sie bilden sich ein, die wichtigsten unter den Sterblichen zu sein, und wie schön sind sie doch, wenn sie mit drohendem Angesicht und derben Worten das furchtsame Häuflein der Kinder erschrecken, wenn sie mit Ruten und Riemen die armen Knaben verdreschen und auf allerlei Art und Weise wüten und toben wie der Esel in der Löwengrube!

Und all diesen Unflat sehen sie als das Schönste und Wichtigste an! Der scheußlichste Gestank riecht ihnen wie kostbarste Salbe, und die elendste Fronarbeit ist nach ihrer Meinung erstrebenswert.

Sie bringen es auch durch allerlei Gaukelei dahin, dass die einfältigen Mütter und die albernen Väter sie für das ansehen und halten, wofür sie gehalten werden wollen. Dazu kommt noch das große Vergnügen, wenn sie in irgendeinem halb vermoderten Papier ein gelehrtes Wort finden oder auf einem alten Stein einen halben Buchstaben und, o du guter Himmel, was gibt es dann für ein Jubilieren, Triumphieren, Lobhudeln, als hätten sie Afrika überwunden oder Babylon erobert!

Und wenn sie dann gar mit ihren leblosen, abgeschmackten Versen prunken und wenn sich Leute finden, die diese Verse bewundern, dann glauben sie, sie hätten die Seele sämtlicher Poeten im Leibe.

Nichts aber ist lieblicher, als wenn sie gleichsam zur Vergeltung einander loben und bewundern und einander den Hintern lecken. Hat aber einer mit einem einzigen Wort geirrt, was für ein Trauerspiel entsteht alsbald! Was für ein Kampf! Was für Schmähworte kann manfrau dann hören!

Die Poeten sind mir nicht ganz so verpflichtet, ob sie es gleich nach ihrem eigenen Bekenntnis mit mir halten, denn sie sind freie Leute, deren Bestreben fast einzig dahin zielt, wie sie wohl den Narren mit unnützem Gewäsch und lächerlichen Fabeln das Ohr kitzeln könnten.

 Es ist fürwahr recht wunderlich, dass sie sich davon Unsterblichkeit und göttliches Leben versprechen. Dieser Zunft sind vor allen anderen Selbstliebe und Schmeichelei eigentümlich, und nur wenige Geschlechter der Sterblichen verehren mich getreuer.

Auch die Redekünstler behaupten zwar, gegen mich zu sein und es mit den Philosophen zu halten, dennoch haften ihnen so viele Merkmale an, dass manfrau auch sie zu meinem Gefolge zählen mag, zumal weil sie mit soviel Fleiß über das Wesen des Humors und über die Art und Weise geschrieben haben, wie manfrau richtig scherzt, von anderen Albernheiten zu schweigen.

Bei Quintilian, dem Vornehmsten dieses Ordens, ist das Kapitel über das Gelächter das aller längste. Ja, sie trauen der Narrheit so viel zu, dass sie behaupten, manfrau könne manchmal etwas, das durch keine Beweisgründe umgestoßen werden kann, durch Verlachen zunichte machen. Und das fällt doch wahrhaftig in mein Gebiet, denn über Lachen und Scherzen herrsche ich.

Zu dieser Gattung gehören auch die, so da glauben, sich mit Bücherschreiben einen ewigen Namen machen zu können. Sie alle sind mir großen Dank schuldig, in Sonderheit solche, die das Papier mit ganz und gar unnützem Zeug anfüllen.

Die anderen aber, die gelehrt schreiben, scheinen mir eher erbarmungswürdig zu sein als glücklich, denn sie martern und quälen sich ständig. Sie fügen hinzu; sie ändern; sie streichen weg und lassen es dann wieder stehen. Sie wiederholen; sie arbeiten um; sie zeigen ihr Werk einem jeden, und dann bleibt es wohl neun Jahre liegen, und sie sind niemals mit sich zufrieden.

So erkaufen sie die geringfügige Belohnung, nämlich das Lob anderer, und zwar nur weniger anderer, gar teuer durch vieles Wachen, durch Verzicht auf den süßen Schlaf, durch Schweiß und Bekümmernis.
Dazu kommen der Schaden an der Gesundheit, die Beeinträchtigung der Schönheit, triefende Augen oder gar Verlust der Sehkraft, Armut, Neid, Verzicht auf alle Freuden des Lebens, vorzeitiges Alter, früher Tod und dergleichen mehr.
Alle diese Übel muss so einer erdulden, ehe er es zustande bringt, dass ihn ein anderer Triefäugiger lobe.

Da ist mein Bücherschreiber ein weit glücklicherer Narr! Denn er bringt ohne viel Nachsinnen und Studieren, so gut es ihm einfällt, alsbald alles zu Papier, was ihm in die Feder fließt, und sollten es auch nur Träume sein. Er weiß sehr wohl, dass er, je elenderes Zeug er geschrieben, bei desto mehr Menschen, nämlich bei allen Narren und Unwissenden, Lob ernten wird.

Noch glücklicher sind solche, so die Schriften anderer Leute für ihre eigenen ausgeben und sich den durch fremde Arbeit erworbenen Ruhm beimessen. Sie wissen, dass sie, selbst wenn sie wirklich des gelehrten Diebstahls beschuldigt und überwiesen würden, dennoch soviel verdient haben, dass sie für einige Zeit ganz angenehm leben können.

Es ist eine wahre Lust zuzusehen, wie sich derlei Menschen aufblasen, wenn der Pöbel sie lobt, wenn jedermann unter dem Volk auf sie zeigt und einer dem anderen zuflüstert: „Das ist der Wundermann", und wenn ihre Werke bei den Buchhändlern zum Verkauf ausliegen und auf dem ersten Blatt des Bandes ihre drei Namen zu lesen sind, besonders, wenn die fremd klingen und an eine Hokuspokusformel gemahnen.

Und wie wenigen können solche Namen bekannt werden, wenn manfrau bedenkt, wie weit und wie groß die Welt ist, und von noch weit wenigeren werden sie gelobt werden, da doch auch unter den Unwissenden der Geschmack nicht gleich ist.

Überaus lächerlich finde ich es auch, wenn sie einander in Briefen, Versen und Epigrammen preisen — ein Narr den Narren und ein Esel den Esel.

Zuweilen suchen sie sich auch einen Gegner, um durch dessen Eifersucht den eigenen Ruhm zu vergrößern. Dann entstehen beim wankelmütigen Pöbel allerlei Parteien, bis am Ende beide Heerführer glückliche Sieger werden und triumphieren.

Die klugen Leute verlachen all das, die anderen aber haben dank meiner Güte ein vergnügtes Leben und würden nicht einmal mit den Siegen des Scipio tauschen. Übrigens schulden mir in diesem Fall auch die wahrhaft Gelehrten viel Dank, indem sie all diese Possen mit viel Freude verlachen und aus dem Unsinn anderer Nutzen ziehen.
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Von den Eseleien der Gelehrten

Unter den Gelehrten wollen die Juristen die ersten und die vornehmsten sein, und niemand ist so selbstgefällig wie sie, wenn sie unablässig den Stein des Sisyphos wälzen und in einem Atem so mancherlei Gesetze herunter leiern, ohne darauf zu achten, was die Absicht dieser Gesetze ist, und wenn sie Randglossen  auf Randglossen häufen, und Kommentar auf Kommentar, so dass manfrau meinen sollte, ihr Studium sei das aller schwerste.

Ihnen wollen wir die Disputiermeister und Sophisten zugesellen, überaus schwatzhafte Leute, so dass ein jeder unter ihnen imstande ist, mit zwanzig höchst tüchtigen Weibern um die Wette zu plaudern.
Sie wären jedoch weit glücklicher, wollten sie sich damit begnügen, allein für sich viele Worte zu machen; aber sie sind zänkisch und beginnen aus dem geringsten Grund heftigen Streit, bei dem sie zumeist durch viel Disputieren und Gewäsch die Wahrheit verkehren.
Dennoch macht sie die Eigenliebe zu glücklichen Menschen, und sie wagen es ohne Scheu, sich mit jedermann in ein Wortgefecht einzulassen.
Überdies sind sie durch ihre Hartnäckigkeit unüberwindlich, und mag ihr Gegner der ärgste Schreier sein.

Als nächste kommen die Philosophen, ehrwürdig durch ihren langen Bart, und sie rühmen sich, sie allein seien weise, alle anderen Menschen jedoch nur Schatten.
Doch wie fröhlich sind ihre Torheiten, wenn sie unzählige Welten bauen und die Sonne, den Mond und die Sterne gleichsam mit den Fingern oder mit einer Schnur abmessen, und wenn sie, ohne zu zögern, die Ursachen des Blitzes, der Winde, der Sonnenfinsternisse und der übrigen unerforschlichen Dinge aufsagen und herunter leiern, als wären sie bei der Natur, der Baumeisterin aller Dinge, als Sekretäre im Dienst gewesen oder aus dem Rat der Götter zu uns herunter gestiegen.

Doch mit ihren Mutmaßungen werden sie von der Natur gar grimmig verlacht. Denn dafür, dass sie nichts Genaues wissen, spricht allein schon die Tatsache, dass fast über alles und jedes unaufhörlicher Streit unter ihnen tobt. Wenngleich sie gar nichts wissen, sagen sie dennoch, sie wüssten alles.

Obwohl sie sich selbst nicht kennen und oft nicht einmal den Straßengraben oder einen Stein, der ihnen im Wege liegt, wahrnehmen, weil sie Triefaugen haben oder zerstreut sind, so rühmen sie sich dennoch, sie sähen die Ideen, die Formen, die Materien, die Eigenschaften und die Akzidentien, und das sind doch so subtile Dinge, dass meiner Meinung nach niemand sie sehen kann, und hätte er Luchsaugen.

Auch verachten sie den gemeinen Mann, wenn sie einem mit ihren Dreiecken, Quadraten, Kreisen und anderen geometrischen Figuren, die oft aussehen wie ein Labyrinth, alles noch dunkler machen.

Unter ihnen gibt es nun auch solche, die behaupten, zukünftige Dinge aus den Gestirnen vorhersagen oder gar zauberische Wunderwerke vollbringen zu können. Und diese glücklichen Leute finden andere Glückliche, die das glauben.
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Über der Theologen und Mönche Narretei

Ich weiß nicht, ob es nicht vielleicht besser wäre, die heiligen Gottesgelahrten mit Stillschweigen zu übergehen, um dieses pestilenzialische Meer nicht aufzurühren und dieses stinkende Kraut stehen zulassen, denn derlei Leute sind gar hochmütig und leicht zum Zorn zu reizen, und so könnte es geschehen, dass sie mich haufenweise mit Tausenden von Geschossen und Folterqualen überfallen oder mich zum Widerruf zwingen, oder wenn ich mich dessen weigerte, mich gar für einen Ketzer ausschreien.

Denn mit solchem Blitzstrahl sind sie schnell zur Hand, steht einer nicht in ihrer Gunst. Und obwohl niemand undankbarer gegen mich ist als gerade sie, sind sie mir doch Dank schuldig, denn ihre Eigenliebe macht sie so glücklich, dass sie sich einbilden, sie weilten im siebenten Himmel und alle anderen Menschen seien nur armes Erdengewürm.

Da sie mit einer so großen Schar von Definitionen, Schlussfolgerungen, Schlussketten und Korollarien umgeben sind und soviel Finten kennen, dass nicht einmal Vulkan mit seinen Ketten sie festbinden könnte, haben sie alle verborgenen Geheimnisse nach ihrem Gutdünken erklärt, zum Exempel, auf welche Weise die Welt erschaffen und geordnet wurde, durch was für Kanäle die Unreinheit der Sünde von Geschlecht auf Geschlecht weitergeleitet wird, auf welche Art und Weise und in wie viel Zeit Christus im Leib der Jungfrau heranreifte, wie sich die Wandlung im Heiligen Abendmahl vollzieht.

Und diese allgemeinen Fragen halten sie für das Privileg großer und erleuchteter Gottesgelahrter. Sie werden munter, wenn die Frage auftaucht, ob in der göttlichen Zeugung ein Stillstand vorkommen kann, ob Christus noch einmal gezeugt werden könnte, ob der Satz möglich wäre: „Gott Vater hasst den Sohn." Ob Gott vermocht hätte, sich mit einem Weib, mit dem Teufel, einem Esel, einem Kürbis oder Kieselstein persönlich zu vereinen.

Ferner: wie der Kürbis gepredigt und Wunder gewirkt hätte und wie er hätte gekreuzigt werden können. Und ob Christus zu derselben Zeit, da er am Kreuze hing, als Mensch zu betrachten war.

Und ob die Menschen nach der Auferstehung essen und trinken werden, denn sie sind jetzt schon darauf bedacht, nicht Hunger und nicht Durst zu leiden.

Und dann gibt es noch unzählige andere, noch viel unnützere Spitzfindigkeiten, die weitaus subtiler sind — Relationen, Formalitäten, Quidditäten, Häcceitäten und dergleichen mehr.

Kein Mensch versteht solche Dinge, es sei denn, er wäre so scharfsichtig, dass er auch in den tiefsten Finsternissen sehen kann.

Dem allem kann manfrau noch so manche besondere Meinung und Lehre dieser Leute hinzufügen, zum Exempel, es sei eine geringere Sünde, tausende Menschen totzuschlagen als ein einziges Mal am Sonntag einem Bettler die Schuhe zu flicken; manfrau solle eher zulassen, dass die ganze Welt, wie manfrau zu sagen pflegt, mit Haut und Haar untergehe, als dass manfrau auch nur die geringste Unwahrheit sage.

Diese subtilen Subtilitäten werden von den vielen Schulen und Sekten solcher Gelehrter noch viel subtiler gemacht, so dass manfrau leichter aus einem Labyrinth herauskommt als aus dem Wirrsal der Realisten, Nomina-listen, Thomisten, Albertisten, Occamisten, Scotisten, und dabei habe ich noch lange nicht alle aufgezählt, sondern nur die wichtigsten.

Bei ihnen findet manfrau so viel Gelehrsamkeit und so viel Schwierigkeiten, dass ich glaube, selbst die Apostel hätten einen zweiten Heiligen Geist nötig, wären sie gezwungen, mit diesen neuen Theologen zu disputieren.

Paulus konnte zwar glauben, doch in den Definitionen hat er sich nicht als Meister erwiesen, und wenn er und die Apostel nach dem Terminus a quo und dem Terminus ad quem gefragt würden, nach der Transsubstantiation und nach der Art und Weise, wie ein Leib gleichzeitig an mehreren Orten sein kann, oder nach dem Unterschied zwischen dem Leib Christi im Himmel, dem Leib Christi am Kreuz und dem Leib Christi im Heiligen Abendmahl, hätten sie, so meine ich, nicht so spitzfindig antworten können wie etwa die Scotisten.

Jene kannten die Mutter Jesu noch von Angesicht, doch welcher unter ihnen hätte so mathematisch bewiesen, wie und auf welche Weise sie von der Erbsünde frei geblieben.

Petrus empfing die Schlüssel, und der sie ihm gab, vertraute sie gewiss keinem Unwürdigen an, doch weiß ich nicht, ob auch er die subtile Frage verstanden hätte, wie den Schlüssel einer Kunst oder Wissenschaft jemand haben kann, der diese Kunst nicht beherrscht.

Die Apostel tauften Menschen und haben doch nirgends gelehrt, was die Causa formalis, materialis, efficiens und finalis der Taufe sei. Sie sagten auch nichts von einem Charakter delebilis oder indelebilis, und wer wollte solche Dinge erfassen können, wenn er nicht ganze sechsunddreißig Jahre mit der Naturlehre und der Metaphysik des Aristoteles oder Scotus hingebracht hat?

Die Apostel führen an mehr als einer Stelle die Lehre von der Gnade aus, aber sie sagen nirgends, was für ein Unterschied zwischen der Gratia gratis data und der Gratia gratificans besteht.

Sie mahnen zu guten Werken, aber sie sprechen nichts von einem Opus operans und einem Opus operatum.

Sie schärfen die Liebe ein, ohne zwischen der eingegossenen und der erlangten Liebe zu unterscheiden.

Sie verabscheuen die Sünde, aber ich will meinen Kopf verwetten, dass sie nicht imstande gewesen wären, nach den Regeln der Kunst zu beschreiben, was wir denn eigentlich Sünde nennen, es wäre denn, der Geist der Scotisten hätte es ihnen eingegeben.

Ich kann auch unmöglich glauben, dass Paulus so oft die vielen Fragen, Zänkereien und Wortgefechte verurteilt hätte, hätte er diese Spitzfindigkeiten verstanden.

Zumal da damals alle Meinungsverschiedenheiten nur ein Bauernkrieg waren, wenn manfrau sie mit den Subtilitäten unserer heiligen Magister vergleicht.

Fast ebensolche Narren sind diejenigen zu nennen, die manfrau ins gemein Mönche oder Religiosi heißt, wie wohl sie beide Namen zu unrecht tragen, denn zum größten Teil sind sie von der Religion weit entfernt, und auf allen Gassen und Straßen sieht manfrau zumeist nur solche Leute.

Und obgleich jedermann so großen Abscheu vor ihnen hat, dass manfrau es als böses Vorzeichen ansieht, begegnet einem zufällig einer, so halten sie sich doch für sehr wichtig.

Erstlich vermeinen sie, es sei besondere Frömmigkeit, so wenig gelernt zu haben, dass manfrau nicht einmal lesen kann. Oder wenn sie die Psalmen, die sie zwar gezählt haben, aber nicht verstehen, in den Kirchen herunter blöken und damit die Ohren der Heiligen zu kitzeln vermeinen.

Es gibt auch solche unter ihnen, die mit großem Gebrüll vor den Türen Brot heischen, ja sogar in den Wirtshäusern, auf der Straße und auf Schiffen den Leuten keine Ruhe lassen, zum nicht geringen Schaden der übrigen Bettler.

Auf diese Weise wollen sie vermöge ihrer Unflätigkeit, ihrer Unwissenheit, Grobheit und Unverschämtheit den Aposteln gleich sein, wie sie sagen. Und was wäre belustigender, als dass sie auf die Art der Mathematiker alles nach gewissen Regeln tun, die zu überschreiten die größte Sünde ist?

Zum Beispiel, wie viele Knoten der Schuh haben muss, welche Farbe der Gürtel und welche Farbe das Kleid, aus was für Zeug der Gürtel zu bestehen hat oder die Kutte, und welchen Umfang sie haben soll. Wie viel Finger breit die Glatze sein muss, oder wie viel Stunden manfrau schlafen darf.

Wer sähe aber nicht, wie ungleich eine solche Gleichheit sein muss bei dem großen Unterschied der Körper?
Je dennoch halten sie nicht nur andere Menschen für gering, sondern unter ihnen selbst verachtet der eine den anderen, und obgleich sie Leute sind, die sich der apostolischen Liebe rühmen, stiften sie doch nur deswegen, weil der eine ein anderes Ordenskleid trägt als der andere, gar mancherlei Unruh und Aufruhr.

Einige sind so heilig, dass sie außen ein rauhes, härenes, darunter aber ein weiches Kleid tragen, andere wieder außen ein leinenes, innen aber eines aus Wolle.

Dann wieder gibt es welche, die sich vor der Berührung mit Geld scheuen wie vor einem giftigen Kraut, im übrigen aber weder den Wein verschmähen noch den Umgang mit Weibervolk.
Sie bemühen sich auch nicht, Christo gleich zu werden, nein, sie trachten vielmehr, untereinander möglichst ungleich zu sein.

Ferner wollen sie alle einen eigenen Namen führen —-Benediktiner, Bernhardiner, Augustiner, Jakobiten —, als ob es etwas Geringes wäre, Christ genannt zu werden.

Viele unter ihnen bauen so fest auf ihre Zeremonien und Satzungen, dass sie meinen, ein Himmel allein sei kein geziemender Lohn für so große Dinge, und dabei vergessen sie, dass Christus das alles gering achtet und von ihnen jenes einzige Gebot fordern wird — das Gebot der Liebe.

Da wird der eine auf seinen dicken Wanst weisen, der mit allerlei Fischen angefüllt ist, ein anderer wird hundert Scheffel mit Psalmen ausschütten, wieder ein anderer seine zehntausend Fasttage herzählen, obgleich ihm die Mahlzeiten, die er dazwischen genossen, schier den Magen gesprengt haben, und wieder ein anderer wird einen so großen Haufen von Zeremonien vorweisen, wie manfrau ihn kaum auf sieben Lastschiffen verfrachten könnte.

Da wird einer sich rühmen, in sechzig Jahren niemals ein Geldstück berührt zu haben, es sei denn, er hätte doppelte Handschuhe getragen.
Ein anderer wird auf eine so hässliche und rauhe Kutte weisen, dass nicht einmal der ärmste Schiffsknecht sie am Leib trüge.

Der wird erzählen, er habe länger als dreißig Jahre sein Leben verbracht wie ein Schwamm, das heißt, ständig an einem Ort, jener wird krächzend von seiner Stimme erzählen, die durch vieles Singen heiser geworden, ein anderer wieder auf seine Zunge zeigen, die durch ewiges Stillschweigen völlig gelähmt ward.

Christus aber wird ihnen ins Wort fallen und sie fragen: „Woher kommen diese neuen Juden?
Ein einzig Gesetz erklärte ich für das meine, und von dem allein fiel jetzt kein Wort; vor Zeiten habe ich ganz offen und ohne dunkle Reden das Erbe meines Vaters nicht den Kutten oder den Paternostern oder den Hungerleidern verheißen und gelobt, sondern denen, die der Liebe dienen.

Ich erkenne auch die nicht als die Meinen an, die gar zu viel von ihren guten Werken wissen. Die heiliger sein wollen als ich, die mögen in den Himmel Abrahams wandern oder sich einen neuen Himmel von denen bauen lassen, deren Gesetz sie meinen Geboten vorgezogen."

Wenn sie dann diese Worte hören und wenn sie sehen, dass Schiffsleute und Fuhrknechte vor ihnen in den Himmel eingehen, was meint ihr dann wohl, was sie für Augen machen? Einstweilen aber sind sie in ihrer Hoffnung glücklich und haben das nur mir zu danken.

Niemand aber wagt es, diese Leute, vor allem die Bettelmönche, zu verachten, denn sie kennen die Geheimnisse eines jeden, nämlich aus der Beichte, wie manfrau sagt.
Doch halten sie es für unrecht, etwas zu verraten, es sei denn, dass sie sich bei einem Glas Wein angenehm ergötzen wollen, aber sie sagen die Dinge doch, wenn auch nur halb und halb, ohne die Namen zu nennen.

Und beleidigt sie jemand durch heftiges Poltern, so rächen sie sich in ihren Predigten und ziehen gegen ihre Feinde los, so klug verborgen, dass jedermann es verstehen muss.
Sie hören auch nicht eher auf zu bellen, als bis manfrau ihnen einen Brocken Fleisch ins Maul geworfen hat.

Und überhaupt, wie gebärden sie sich bei ihren Predigten! Wie verändern sie da die Stimme, wie singen sie, wie drehen sie sich hin und her und machen bald ein süßes und bald ein saures Gesicht, und wie schreien sie, dass die Wände wackeln!
Und diese Kunst des Predigens lehrt einer den anderen, als wäre sie ein groß Geheimnis.

Ihr seht also, so will ich hoffen, wie viel mir diese Leute zu danken haben, wenn sie mit ihrem lächerlichen Geschrei die Menschen drangsalieren und dabei glauben, sie seien der heilige Paulus selbst.

Doch will ich nun nicht mehr von solchen Hansnarren reden, die mich verleugnen und für fromm gelten wollen, denn ich habe schon längst Lust, von den Königen und Hofleuten zu sprechen, die mich aufrichtig verehren.

Wenn sie nur ein Quentchen gesunden Menschenverstandes hätten, gäbe es nichts Traurigeres und Betrüblicheres als ihr Leben.
Niemand hielte es für möglich,, dass jemand gar durch Meineid oder Vatermord trachten wollte, auf den Thron zu gelangen, wenn manfrau bedenkt, welch schwere Last auf den Schultern dessen liegt, der einen rechtschaffenen Regenten abgeben will.

Denn einer, der die Herrschaft übernommen hat, darf sich nur mit den Dingen der Allgemeinheit und mit nichts Eigenem beschäftigen und an nichts anderes denken als an das Wohl aller.

Auch darf er von den Gesetzen, die er selber gegeben hat und die er gehalten wissen will; nicht um Haaresbreite abweichen, ist er doch der einzige, auf den jeder den Blick richtet, und so gleicht er entweder einem Glücksstern, der dem menschlichen Geschlecht Nutzen bringt, oder einem Verderbnis kündenden Kometen.

Die Laster anderer Leute werden nicht so leicht wahrgenommen und üben auch nicht so weite Wirkung.
Handelt jedoch ein Fürst auch nur im geringsten gegen die Ehrbarkeit, greift diese verderbliche Pest alsbald weit um sich.

Und dabei bietet der Stand des Fürsten viel, das geeignet ist, vom rechten Weg abzulenken: Reichtum, Ergötzlichkeiten, Unabhängigkeit, Schmeichelei und dergleichen.
Desto schärfer hat er darauf zu achten, dass niemand sich verleiten lasse und seiner Pflicht vergesse.

Er aber vergesse nicht, dass, abgesehen von allen hinterlistigen Nachstellungen, von Hass, Furcht und sonstigen Gefahren, über seinem Haupte der wahrhafte König schwebt und Rechenschaft auch für das kleinste Vergehen fordern wird, und zwar desto ernsthafter, je wichtiger das verwaltete Amt gewesen.

Wenn ein Fürst nun dies und was dergleichen mehr ist bei sich überlegte — und er würde es bei sich überlegen, wäre er klug —, könnte er weder schlafen noch mit Behagen essen.
Doch dank meiner Gnade überlassen die Fürsten all diese Sorgen den Göttern, pflegen sich und schenken niemandem Gehör, der ihnen nicht etwas Angenehmes vor zusagen weiß, damit in ihrer Seele nur ja kein Verdruss entstehe.

Sie meinen, alles getan zu haben, was einem Herrscher obliegt, wenn sie immer Jagden veranstalten, wenn sie schöne Pferde halten, wenn sie mit reichem Gewinn Dienste und Ämter verkaufen, wenn sie täglich auf neue Art bedacht sind, das Hab und Gut ihrer Untertanen zu verringern und in den eigenen Beutel zu scheffeln. Sie tun dies aber auf so artige Manier, dass es, mag es auch noch so unrecht sein, dennoch den Anschein der Gerechtigkeit hat.

Nun stellt euch einen Menschen vor — und ihrer gibt es nicht wenige —, der nichts von Gesetzen wissen will, der ein Feind der allgemeinen Wohlfahrt ist, nur nach dem eigenen Nutzen trachtet und sich den Lüsten ergeben hat, einen, der alle Gelehrsamkeit hasst, ein Gegner der Freiheit und Wahrheit ist und sich um nichts weniger bekümmert als um das Wohl der Allgemeinheit, sondern nur um seine Vergnügungen und um sein Gedeihen.

Sodann hängt ihm ein goldenes Halsband um, das den Zusammenhang aller Tugenden bezeichnen soll; setzt ihm eine mit Edelsteinen geschmückte Krone auf, die ihn daran erinnert, dass er an Heldenmut und hohen Eigenschaften alle anderen übertreffen muss; gebt ihm ein Zepter, das Zeichen der Gerechtigkeit und des makellosen Wandels; endlich den Purpurmantel, das Zeichen der Liebe zur Allgemeinheit.

Hielte nun ein Fürst solchen Schmuck gegen sein Leben und vergliche beides miteinander, er würde sich dieses Lebens wohl schämen und fürchten, ein Missgünstiger könnte all die königliche Zier nur zum Gespött und zum Gelächter machen.
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Von der Schranzen Unwesen

Aber was soll ich von den Hofleuten sagen? Denn obwohl nichts Niedrigeres, Törichteres und Abgeschmackteres gefunden werden kann als die Mehrzahl dieser Leute, so beanspruchen sie doch den Vorrang vor allen anderen.

In einem einzigen sind sie aber sehr bescheiden: sie geben sich nämlich damit zufrieden, Gold und Edelsteine, Purpur und sonstige Zeichen der Tugend und Weisheit an ihrem Leibe zu tragen, und überlassen anderen die Durchführung der Arbeit.

Es genügt ihnen zur Glückseligkeit, dass sie den König ihren Herrn nennen dürfen, dass sie mit Titeln um sich werfen können und dass sie sich nicht schämen und sich auf die Kunst der Schmeichelei verstehen.

Und wenn manfrau ihre Lebensweise genauer betrachtet, muss manfrau an die Phäaken und an die Freier der Penelope denken — das übrige wisst ihr selbst.

Sie schlafen bis in den hohen Tag, und da steht dann schon beim Bett ein Priester bereit, der ihnen, wenn sie noch halb schlafen,  die Messe liest. Gleich darauf kommt das Frühstück, und kaum ist dieses vorbei, wird die Tafel schon wieder gedeckt.  

Nach dem Mittagmahl erlustigt manfrau sich mit Lotterien und Schachspiel, mit Taschenspielern und Hofnarren und treibt allerlei Kurzweil.

In der Zwischenzeit speist manfrau wieder ein weniges. Doch bald kommt die Abendmahlzeit, und hernach  geht das Bankettieren  erst recht an.   

Auf solche Weise verstreichen ohne Sorgen und ohne Ärger die Stunden, die Tage, die Monate, die Jahre.
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Von Päpsten, Bischöfen und Pfaffen

Die Päpste, Kardinale und Bischöfe halten es nicht nur nach Art der Fürsten, sondern übertreffen sie noch in dieser Lebensweise. Und wenn so einer darüber nach dächte, was das schneeweiße leinene Kleid bedeuten mag, das er trägt: nämlich ein in allen Dingen fehlerloses Leben; was die doppelt gehörnte Bischofsmütze besagen soll: nämlich tiefe Erkenntnis des Alten und des Neuen Testaments; warum die Hände Handschuhe tragen: nämlich damit die Sakramente lauter verwaltet würden; und was der Hirtenstab bedeuten soll: nämlich die wache Sorgfalt für die anvertraute Herde, wäre da sein Leben nicht gar bedrückt und traurig?

Doch sie halten es anders, und sie denken nur an Fressen und Saufen, im sonstigen aber überlassen sie die Sorge für ihre Schäflein dem Herrn Jesus Christus, oder, ihre Herren Vikare sollen nach dem Rechten sehen.
Sie denken auch nicht daran, was das Wort episcopus eigentlich heißt, nämlich Arbeit, Sorge und Kümmernis, aber im Geldeinnehmen sind sie wirklich episcopi: da haben sie Augen und nichts als Augen.

Selbst das Oberhaupt der Kirche, der Stellvertreter Christi, wäre, wollte er dem Leben des Herrn nachfolgen mit Seiner Arbeit, Seiner Lehre, Seinem Kreuz und Seiner Verachtung der Welt, oder wenn er nur an das Wort Papa dächte, das soviel heißt wie Vater, oder an seinen Zunamen heilig, wohl der geplagteste Mensch auf Erden.

Und wer dächte dann daran, eine solche Ehrenstelle mit seinem ganzen Vermögen zu erkaufen? Oder wenn er sie schon erkauft hat, sie mit Schwert und Gift und aller Macht zu behaupten? Wie viel Schaden brächte es ihm, erkennte er nur ein einziges Quentchen Wahrheit, ein einziges Körnchen  des  Salzes,  von  dem Christus spricht!

Auch ist es nicht leicht abzutun, dass sich der Stellvertreter des Herrn mit so viel Schreibern, Kopisten, Notarien, Advokaten, Sekretären, Eseltreibern, Pferdewächtern, Geldwechslern, Kupplern und Maklern umgibt, mit einer solchen   Schar von Menschen, die den Römischen Stuhl beschweren - verzeiht, ich wollte sagen: ehren.

Es wäre doch nicht möglich, dass diese alle mitsammen am Hungertuch nagen sollten, so wie Gott selbst es getan! Das wäre doch fürwahr unmenschlich und abscheulich, und noch viel abscheulicher wäre es, wenn auch die vornehmsten Häupter der Kirche, die wahren Lichter der Welt, den Ranzen auf den Buckel nähmen und den Bettelstab in die Hand.

Jetzt überlässt manfrau das lieber dem Petrus und dem Paulus, denn die haben Zeit und Muße dazu. Die Pracht und das Wohlleben aber behält manfrau für sich.

Und so bin ich schuld daran, dass niemand auf Erden so angenehm und sorgenlos lebt wie sie. Wunder tun ist altmodisch und zur Zeit nicht mehr in Brauch. Das Volk lehren bringt Mühe. Die Heilige Schrift erklären ist Schulfuchserei.

Beten heißt ihnen soviel wie faulenzen, Tränen vergießen halten sie für erbärmlich und weibisch, Armut lieben wird als hässlich angesehen, überwunden werden als schändlich, und es steht dem nicht an, der kaum dem größten König erlaubt, ihm die heiligen Füße zu küssen. Und schließlich: das Sterben ist zwar unangenehm, das Gekreuzigtwerden aber schimpflich.

Sie haben also keine anderen Waffen mehr übrig als die süßen Segnungen, deren der heilige Paulus gedenkt und mit denen sie keineswegs sparsam umgehen: die Interdikte, Suspensionen und Bannflüche, mit denen sie durch einen einzigen Wink die Seelen der Gläubigen in die Hölle, ja noch weiter hinunter schleudern.

Auf niemanden aber lassen diese Heiligen Väter in Christo, diese Statthalter des Herrn, ihren Bannstrahl fallen als auf solche, die, vom Teufel verlockt, sich unterfangen, das Erbe Petri zu verringern oder ihm etwas abzuzwacken, und obwohl Petrus im Evangelio sagt: Wir haben alles hinter uns gelassen und sind dir nachgefolgt, so besteht das Erbe Petri heute doch aus Ländern, Städten, Zöllen, Mauten und Gerichtsbarkeiten.

Und da sie nun voll göttlichen Eifers mit Feuer und Schwert für dieses Erbe streiten, nicht ohne dass dabei vieler Christen Blut vergossen würde, vermeinen sie doch, wenn sie die Feinde tapfer aus dem Feld geschlagen haben, die Kirche, die Braut Christi, damit recht apostolisch zu beschützen.

Als ob es schädlichere Feinde der Kirche gäbe als die gottlosen Päpste, die Christum in Vergessenheit geraten lassen, die Menschen an gewinnsüchtige Gesetze binden, die Schrift mit falschen Auslegungen verdrehen und durch ein pestilenzialisches Leben die Seele töten.

Und da die Kirche Christi mit Blut gegründet, mit Blut gefestigt und durch Blut geehrt worden ist, wollen sie auch jetzt alles mit dem Schwert vollbringen.
Und ob der Krieg gleich ein gar grausig Ding ist, das eher den wilden Bestien geziemen würde als den Menschen, und so unvernünftig, dass selbst die Poeten ihn den Furien zuschreiben, auch so schädlich, dass er alle guten Sitten verdirbt, und so ungerecht, dass er von den ärgsten Räubern und Mördern am besten geführt wird, ferner so gottlos, dass manfrau ihn mit der Lehre unseres Herrn nicht im geringsten vereinbaren kann, lassen sie doch alles andere außer acht und richten ihr Sinnen einzig auf den Krieg.

Und wie treiben es denn die gewöhnlichen Priester? Die halten es offenbar für unrecht, vom heiligen Beispiel ihrer Vorgesetzten abzuweichen.
Manfrau beachte nur, wie kriegerisch sie sich mit Degen, Spieß und Steinen um ihren Zehent streiten und balgen, wie scharfsinnig sie sind, sofern es gilt, aus alten Dokumenten ein Recht zu erzwingen, mit dem sie dem armen Volk weismachen, dass manfrau ihnen mehr schulde als den bloßen Zehent.

Indessen denken sie gar nicht mehr daran, was im Evangelio alles von ihrem Amt geschrieben steht, von dem Dienst, den sie dem Volk zu leisten schuldig sind.

Ihr geschorener Kopf erinnert sie nicht mehr daran, dass ein Priester von allen Begierden dieser Welt frei sein muss und an nichts anderes denken darf als an den Himmel.

Doch sagen diese lieben Leute, sie hätten ihrem Amt vollauf Genüge getan, wenn sie ihr Gebetlein schlecht und recht herabgeleiert haben.
Und es wäre gar verwunderlich, wenn einer unter den Göttern diese Gebete hören oder verstehen könnte, denn sie selber hören oder verstehen kein Wort, wenn sie ihre Sprüche herunter blöken.

Doch dies hat der Priester mit dem Laien gemein, dass beide ein wachsam Aug auf ihren Nutzen haben und jede Last, die vielleicht zu tragen wäre, auf fremde Schultern abwälzen, so dass sie der eine dem anderen in die Hände wirft gleich einem Ball.

Denn so, wie die weltlichen Fürsten ihren Statthaltern die Regierungsgeschäfte übertragen und diese wieder ihren Stellvertretern, überlassen auch die geistlichen aus Demut und Bescheidenheit alle Lasten dem gemeinen Volk. Zumal die Last der Andacht und Gottesfurcht.

Das gemeine Volk aber schiebt solche Lasten wieder auf die Geistlichen zurück, als wäre es nicht durch den Taufbund verpflichtet, sie zu tragen.
Die Priester aber, die sich säkulare oder Weltpriester nennen, fast so, als hätten sie die Weihen der Welt und nicht die des Herrn empfangen, schieben die Last auf die Regularen.

Die Regulären auf die Mönche, die Mönche milder Observanz auf jene, die strengeren Regeln folgen, und alle, insgesamt auf die Bettelmönche; die Bettelmönche hin wiederum auf die Karthäuser, bei denen allein die Gottesfurcht verwahrt ist, und zwar so gut, dass sie niemand mehr finden kann.

Allein es ist nicht meine Aufgabe, das Leben der Päpste und der Pfaffen zu untersuchen, denn ich will nicht in den Verdacht kommen, eine Satire zu schreiben, und niemand soll meinen, ich wolle etwa Regenten und Fürsten schelten.

Ich hatte nur die Absicht, auch an diesem Beispiel zu zeigen, dass niemand unter den Menschen in Freuden leben kann, der sich nicht mir ergeben hätte und nicht mich als Schutzpatronin anerkennte. Stimmt doch auch die Glücksgöttin mit mir so sehr überein, dass sie von jeher den Weisen feindlich war, den Narren aber sogar im Schlaf alles Gute zuwendet.

Denn das Glück liebt die Leute, die mehr kühn und verwegen sind als verständig, während die Weisheit die Menschen furchtsam und verzagt macht.

Und so kommt es, dass die Weisen mit Armut, Hunger und Gram geschlagen sind, dass manfrau sie verachtet und hasst und ihnen geringe Ehre zollt, alldieweil die Narren Überfluss an Geld haben, zur Herrschaft gelangen, ja, kurz gesagt, in Freude und Üppigkeit leben.

Und wenn ihr es für Glück haltet, den Großen dieser Welt wohl zugefallen und unter diesen meinen Knechten zu leben, kann ich nichts  weniger brauchen als Weisheit, denn was wäre bei solchen Leuten verächtlicher?

Und trachtet ein Kaufmann nach Reichtum, hätte er doch nichts zu gewinnen, wenn er sich schämte, einen Meineid zu schwören, wenn er ob jeder Lüge errötete und wenn er sich nur im geringsten an die ängstlichen Gewissensskrupel der weisen Männer hielte.

Und so du die Frauen liebst, so wisse, dass die Mädchen - sie sind die Hauptpersonen dieser Komödie - dem Narren vom ganzen Herzen geneigt sind, den Verständigen jedoch verabscheuen und meiden, als wäre er ein Skorpion.

Kurz, du magst dich hinwenden, wohin du willst - bei Päpsten, Fürsten, Richtern, Beamten, Freunden und Feinden, bei groß und klein muss alles mit wahrem Geld erkauft werden, und wie nun ein Weiser dies Geld verachtet, so pflegen auch jene Leute ihn zu verachten.

Da ich jedoch für diesen Lobspruch kein Ende und kein Ziel finden kann, muss meine Rede doch schließlich ihren Abschluss haben. Darum will ich nur noch mit wenigen Worten zeigen, dass es an vortrefflichen Männern nicht gefehlt hat noch fehlt, die meinen Ruhm sowohl in Schriften wie auch durch die Tat verbreiteten.

Denn ich möchte nicht den Anschein erwecken, als fände einzig ich Gefallen an mir.
So werde ich also nur Dinge anführen, die von Wichtigkeit sind.

Nun will ich zur Sache schreiten.

Der Prediger Salomon schreibt im ersten Kapitel: „Die Zahl der Narren ist unendlich." Indem er diese Zahl unendlich nennt, scheint er alle Menschen darunter zu verstehen, mit nur wenigen Ausnahmen, doch, soviel ich weiß, hat die noch keiner zu Gesicht bekommen.

Jeremias bekennt das noch aufrichtiger, wenn er im zehnten Hauptstück sagt: „Alle Menschen mit ihrer Weisheit sind zu Narren geworden."
Er schreibt die Weisheit nur unserem Herrn und Gott zu und überlässt die ganze Narrheit dem Menschengeschlecht.
Und ein andermal sagt er: „Der Mensch rühme sich seiner Weisheit nicht!"
Warum willst du denn, du lieber Jeremias, dass sich der Mensch seiner Weisheit nicht rühme?
Darum nämlich, so wird er antworten, weil der Mensch keine Weisheit besitzt.

Doch komme ich nun wieder auf unseren Prediger.
Wenn dieser ausruft: „Alles ist eitel!", so hat er damit doch zeigen wollen, dass das Menschenleben, wie ich gesagt habe, nichts ist als ein Spiel der Narrheit.
Und an anderer Stelle sagt der weise Prediger: „Der Narr ändert sich wie der Mond, der Weise jedoch bleibt beständig wie die Sonne."
Durch den Mond wird aber von jeher die menschliche Natur bezeichnet und durch die Sonne, die der Ursprung allen Lichtes ist, Gott.
 
Diesem pflichtet auch Christus im Evangelio bei, wenn er sagt, niemand solle gut genannt werden als Gott allein.

Wenn nun derjenige, der nicht weise ist, ein Narr geheißen wird, und derjenige, der gut ist, auch weise ist - so lehren die Stoiker -, müssen notwendigerweise alle Menschen Narren sein.

Doch ist es töricht von mir, alle diese Dinge zu erzählen, denn solche Beispiele gibt es ohne Zahl, so dass manfrau sie nicht ausschöpfen könnte, selbst wenn manfrau sein ganzes Leben lang Bücher schriebe.

Auf das eine will ich nur verweisen, dass manfrau mir, einer gar geringen Lehrerin, verzeihen muss, wenn ich dergleichen berichte, ist es doch allen jenen Gottes kundigen Männern erlaubt, solches zu sagen.

Aber warum bemühe ich mich überhaupt, mit viel sorgsam zusammengesuchten Zeugnissen zu beweisen, in welch hohem Ansehen die Narrheit steht, da Christus selbst mit den Worten des Psalms zu seinem Vater sagt: „Du lenkst meine Torheit."

Es ist auch kein Zufall, dass Gott an den Toren so großen Gefallen findet - da große Herren allzu kluge Leute nicht mögen und leicht bösen Argwohn gegen sie hegen, so wie Cäsar den Brutus und den Cassius immer scheute, hingegen den versoffenen Antonius niemals fürchtete, und wie Nero den Seneca und Dionysius den Plato hasste, verabscheut und verdammt auch Christus jene allzu Gelahrten, die einzig und allein auf ihre Klugheit bauen.

Paulus tut das gar klar kund, wenn er im ersten Korintherbrief sagt: „Was töricht ist vor der Welt, das hat Gott gewählt." Und an anderer Stelle: „Gott hat gewollt, dass die Welt durch Torheit erhalten werde."

Die Weisheit hätte sie nämlich nicht erhalten können. Gott selbst spricht durch den Mund des Propheten: „Ich will verderben die Weisheit der Klugen, und den Verstand der Fürsten will ich verwerfen."

Und Christus dankt seinem himmlischen Vater, dass er das Geheimnis des Heiles den Weisen verborgen, hingegen den Toren geoffenbart hat.

Und was für eine andere Bedeutung hätte es, wenn er sagt: „Wehe euch, ihr Pharisäer und Schriftgelehrten!" Ist das nicht das gleiche, wie wenn er sagte: „Wehe euch, ihr Weisen!"

Hingegen hat er ganz besondere Freude an kleinen Kindern gehabt, an Weibern und Fischern, ja sogar unter den unvernünftigen Tieren gefallen unserem Herrn Christus jene am besten, die von der Arglist am entferntesten sind.

Deswegen hat er lieber auf einem Esel reiten wollen, obgleich er, hätte es ihm beliebt, sich ohne Gefahr auf den Rücken eines Leuen hätte setzen können.

Der Heilige Geist ist in Gestalt einer Taube herabgestiegen und nicht in Gestalt eines Adlers oder Geiers.

Auch die Hirsche, die Fohlen und die Lämmer werden in der Schrift wiederholt erwähnt.

Und jene, die der Herr zum ewigen Leben ausersehen hat, nennt er Schafe, wenngleich dieses Tier als eines der einfältigsten gilt. Selbst Aristoteles sagt: „Dumm wie ein Lamm." Dessen ungeachtet erklärt Christus unumwunden, er sei der Hirt dieser Schafe, und ihm selbst gefiel der Name Lamm Gottes gar wohl.
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Was für Narren die Frömmler seien

Auch die frommen Leute sind also oft Narren. Denn gerade die Kinder, die Greise und Weiber haben an heiligen Dingen ihre besondere Freude und sind deshalb stets die nächsten am Altar.

Und kein Narr scheint närrischer zu sein als der, bei dem die christliche Frömmigkeit einmal in Brand geraten ist.

Solche Leute teilen ihr Hab und Gut aus, achten keiner Beleidigung, lassen sich betrügen; Freund und Feind gilt ihnen gleich viel, sie verabscheuen jede Wollust, nähren sich von Hunger, Wachen, Arbeit, Schande und Spott, haben Abscheu vor dem Leben und sehnen einzig den Tod herbei.

Kurz gesagt: es ist, als hätten sie die gesunde Vernunft verloren und als lebte ihre Seele anderswo und nicht in ihrem Leib. Solches kann manfrau doch nur unsinnig nennen!

Und je körperlicher etwas ist, desto geringer achten es die Frommen, denn sie haben ihre Freude einzig und allein an der Betrachtung unsichtbarer Dinge.

Bei den anderen jedoch gilt der Reichtum mehr als alles sonst.

Ihnen kommt an erster Stelle das Behagen des Körpers, die Seele aber muss hinten anstehen, und gar manchmal glauben sie überhaupt nicht an diese Seele, weil manfrau sie nicht mit Augen sehen kann.

Die Frommen jedoch richten ihren Blick nur auf Gott und nach Gott auf die Seele, denn diese hat die größte Ähnlichkeit mit Gott. Um die Sorgen des Leibes kümmern sie sich nicht, das Geld verachten sie als leeren Schein und fliehen es, und wenn sie einmal damit zu tun haben müssen, geschieht es nur mit Abscheu und Widerwillen.

„Sie haben, als hätten sie nichts; sie besitzen, als besäßen sie nichts." (1. Korinther 2.) Und ebenso findet manfrau in allem und jedem sehr große Unterschiede zwischen den Menschen.

Obwohl alle Sinne in Beziehung zum Leib stehen, sind doch etliche unter ihnen enger mit ihm verbunden, wie zum Exempel das Gefühl, das Gehör, das Sehen, das Riechen und Schmecken, andere hingegen stehen dem Leib etwas ferner wie das Gedächtnis, der Verstand und der Wille. Und worin sich unsere Seele nun übt, darin vermag sie auch am meisten.

Weil also das Gemüt der Frommen einzig nach Dingen strebt, die von den leiblichen Sinnen weit entfernt sind, verlieren sie gleichsam Sinn und Verstand.

Das gemeine Volk hingegen hat eben in diesen Dingen seine größte Stärke, weiß aber nichts von den anderen. Daher kommt es auch, dass einige von Gott erleuchtete Männer, wie zum Beispiel der heilige Bernhard von Clairmont, vor lauter Versunkenheit ins Meditieren statt Weines Öl getrunken haben.

Aber auch unter den Gemütsbewegungen gibt es solche, die mehr mit dem Leib zu schaffen haben als mit anderen Dingen, wie etwa die Wollust, das Verlangen nach Essen und Schlaf oder wie der Zorn, der Hochmut, der Neid.

Gegen solche Anfechtungen führen die Frommen beständig Krieg; das gemeine Volk hingegen vermeint, ohne diese Gefühle nicht leben zu können.

Dann gibt es noch Neigungen, gewissermaßen in der Mitte zwischen beiden, Neigungen, uns von Natur aus angeboren, so etwa die Liebe zu den Eltern, die Liebe zu den Kindern, die Liebe der Freunde untereinander. Auch diesen Gefühlen huldigt der Pöbel, während sich die Weisen bemühen, sie aus ihrer Seele auszurotten, so dass sie ihren Vater nicht als Vater lieben, denn was anderes hätte er gezeugt als nur den Leib?

Nein, sie: lieben ihn als einen ehrlichen und guten Mann, aus dem das Ebenbild Gottes hervor leuchtet; dieses nämlich erachten sie als das höchste Gut.

Mit solcher Richtschnur messen sie auch alle anderen Pflichten ihres Lebens, und alles Sichtbare verachten sie entweder ganz und gar oder schätzen es jedenfalls weit weniger ein als das, was manfrau nicht sehen kann.

Und sie halten es für etwas Geringes, wenn jemand sich nur des Fleischgenusses enthält, was beim gemeinen Volk als vollkommenes Fasten gilt, und nicht zugleich auch seine Gemütsbewegungen unterdrückt, so dass er dem Zorn oder Hochmut nicht soviel Platz einräumt wie sonst.

Denn es wird der Tod Christi als Vorbild betrachtet, und diesen Tod müssen sich die Menschen dadurch vor Augen führen, dass sie die Begierden des Leibes bändigen, abtöten und sozusagen begraben, damit sie zu einem neuen Leben auferstehen und mit Christo eins werden können.

Das ist es nun, was die Frommen tun und worauf ihre Gedanken jederzeit gerichtet sind. Die Menge hingegen meint, die Messe sei nichts anderes als sich beim Altar einfinden, und zwar möglichst nahe, dem Geplapper des Priesters zu lauschen und die Zeremonien mit zu machen.

Aber nicht nur hierin, sondern überhaupt in seinem ganzen Leben hegt der Fromme vor allem Abscheu, was mit dem Leib zu tun hat oder ihm ähnlich ist. Sein Sinn strebt nur nach dem Ewigen, Unsichtbaren, Geistigen.

Und da auf solche Art im Leben ein gewaltiger Zwiespalt entsteht, so kann es nicht anders sein, als dass der Mensch dem Menschen unsinnig erscheint. Doch nach meinem geringen Urteil trifft dies Wort auf die Frommen besser zu als auf den gemeinen Mann.

Das wird leichter klargemacht, wenn ich gemäß meinem Versprechen auch mit wenigen Worten dar tun will, dass der höchste Lohn, auf den jene rechnen, nichts anderes ist als Unsinn.

Schon Plato sagt, die Raserei der Verliebten sei die seligste. Denn wer heftig liebt, lebt nicht mehr in sich, sondern in dem, was er liebt. Und je weiter er sich von sich selbst entfernt und sich in das vertieft, was er liebt, desto inniger wird seine Freude.

Wenn aber nun die Seele vom Leibe scheiden will und sich ihrer Werkzeuge nicht mehr richtig bedient, kann manfrau es mit Recht unsinnig nennen.

Was sollte es sonst heißen, wenn manfrau sagt: „Er ist nicht bei sich"? Oder: „Besinn dich!" Oder: „Er ist wieder zu sich gekommen."

Was mag ferner das himmlische Leben sein, nach dem sich die fromme Seele mit so großem Verlangen sehnt? Da wird der Geist sozusagen den Leib verschlingen, weil er stärker ist und ihn überwindet. Dies mag er um so leichter tun, als er schon in seinem Reich ist und vorher bereits in diesem Leben den Leib auf solche Verwandlung vorbereitet hat.

Derart wird dann der ganze Mensch außerhalb seiner selbst sein und dadurch glücklich werden, dass er außerhalb seiner selbst ist, und durch jenes höchste Gut, das alle an sich zieht, Unaussprechliches erleben!

So großen Vorzug hat das Geistige vor dem Leiblichen, das Unsichtbare vor dem Sichtbaren! Das ist es auch, was der Prophet verheißt, wenn er sagt: „Es hat kein Auge gesehen, es hat kein Ohr gehört, und es steht auch nicht im Herzen des Menschen geschrieben, was Gott denen, die ihn lieben, bereitet hat."

Das ist nun jener Teil der Torheit, der durch das Ende dieses Lebens nicht genommen, sondern erst vollkommen gemacht wird.

Wer also derlei Empfindungen gehabt hat — was jedoch nur gar wenigen widerfährt —, empfindet etwas, das große Ähnlichkeit mit der Torheit hat. Solche Leute reden manchmal Dinge, die keinen Zusammenhang haben, und sie reden gar nicht auf menschliche Art und Weise, sondern oft ohne Verstand, und verzerren dabei Gesicht, Nase und Maul.

Bald sind sie froh und munter, bald weinen, bald lachen, bald seufzen sie. Kurz gesagt: sie sind in Wahrheit ganz außer sich.

Und wenn sie wieder zu sich kommen, sagen sie, -sie wüssten nicht, ob ihre Seele im Leib gewesen sei oder außerhalb, ob sie gewacht hätten oder geschlafen. Was sie gehört, gesehen, gesagt oder getan, dessen erinnern sie sich nur wie durch einen Nebel oder wie im Traum.

Sie wissen einzig, dass sie die größte Seligkeit erlebten, während sie in jener Torheit befangen waren. Deshalb weinen sie auch darüber, dass sie wieder zu Verstand gekommen sind, und möchten nichts lieber als immer solche Narren bleiben.

Und das ist ihnen dann ein geringer Vorgeschmack der kommenden Seligkeit.

Aber ich habe mich schon wieder vergessen und die mir gesteckten Grenzen überschritten. Sollte es den Anschein haben,- ich hätte zu frei gesprochen oder zuviel, so bedenkt, dass die Narrheit solches gesagt hat, und die ist ein Weib.

Ich sehe, dass ihr auf das Ende wartet. Doch wäret ihr die allergrößten Narren, dächtet ihr, ich wüsste noch, was ich geredet. Auch hier gilt der alte Spruch: Odi memorem compotorem -- ich hasse einen Saufbruder, der ein gut Gedächtnis hat. Und dies Wort will ich abändern und will sagen: Odi memorem auditorem -- ich hasse einen Zuhörer mit zu gutem Gedächtnis.

Nun, so lebt wohl, klatscht mir Beifall, seid fröhlich und sauft tapfer weiter, ihr hoch zu preisenden Verehrer der Narrheit!
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Nachwort

Torheit oder Narrheit?

In meinem Meyer (Enzyklopädisches Lexikon, Band 23, Mannheim 1978, Nachdruck 1981) findet sich zwischen Torguten, einem westmongolischem Stamm (siehe Mongolen) und Torhout, einer belgischen Stadt in der Provinz Westflandern, keine Torheit. Nein, leider nein, halt nicht vorhanden.

Nun denn auf zum Buch der Bücher, der Bibel und da werden wir fündig:

"Die Toren sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott." (Davids Psalm 14 Vers 1) und des weiteren steht in Psalm 14 über Toren:" Sie taugen nichts; ihr Treiben ist ein Gräuel; da ist keiner der Gutes tut."

Salomon sagt in Spruch 1 Vers 7: "Die Toren verachten Weisheit und Zucht." und in seinem 10. Spruch behauptet er, dass Toren an ihrer Torheit sterben würden wie ja auch schon David in Psalm 49 beschreibt, dass der Weg derer die voll Torheit sind, ein Schlachtweg sei, wie beim Vieh. Die Toren liegen bei den Toten wie Schafe und der Tod weidet sie.

Toren werden weiters so charakterisiert: "Den Toren ist die Torheit eine Freude, die Herzen der Toren schreien ihre Torheiten hinaus. Der Welt Weisheit wäre Torheit bei Gott und auf der anderen Seite wäre das Wort vom Kreuz eine Torheit für jene die zu den Toten gehen wollen."

Im Wochenpsalter des römischen Breviers lautet Psalm 13 Vers 1: Dixit insipiens in corde suo: Non est Deus. (Tor  wird hier mit Insipiens beschrieben). Corrupti sunt, et abominabiles facti sunt in studiis suis: non est qui faciat bonum, non est usque ad unum.

Im englischen King James Text sind Narren und Toren einfache Fools. The fool has said in his heart, There is no god. They are corrupt, they have done abominable works, there is none that doeth good.
Generell wird im Englischen Tor mit Fool übersetzt und sprachlich keine Unterscheidung getroffen. Also Tor = Narr = Fool im Englischen.

Verlassen wir nun das heilige Metier und wenden wir uns kurz der Geschichte der Hofnarren zu so erfahren wir dass Hofnarren schon in der Antike als Unterhalter üblich und tätig waren. Es waren Spaßmacher manchmal gebildete Sklaven und zur Zeit des frühen Christentums eher verpönt und verboten.

Nach den Kreuzzügen sollte es wieder etwas lustiger zugehen und so traten sie wieder vermehrt in Erscheinung und waren an Fürstenhöfen in ganz Europa bis ins 16. Jahrhundert zu finden.
Durch bissige Kritik und Witz gewannen sie manchmal auch politischen Einfluss oder wurden einen Kopf kürzer gemacht bzw. etwas höher gehängt, wenn sie die Geduld und Nerven ihrer Brötchengeber über strapazierten.

Erst im 17. Jahrhundert verdrängte die Hofetikette diese Narrenform.

In deutsch sprechenden Landen war Narr die Bezeichnung für Geisteskranke, bzw. unvernünftige Menschen. Aber auch Bezeichnung für Spötter, Spaßmacher, Lustigmacher, Possenreißer, Schalke mit Witz und Weisheit welche nicht nur allgemein menschliche Torheiten geißelten und beißende Sozialkritik anbrachten, sondern schlichte einfache harmlose Verspotter - die sie nun geworden sind.

Zum den Narren gehört auch der Hanswurst, der Harlekin, der Pickelhering. Berühmte Narrenfiguren sind Till Eugenspiegel, die Schildbürger und in der Türkei Nasreddin Hoca (das war ein Rezept  :-) bzw. Nasreddin Hoca als muslimische Figur. In Persien gibt es einen Mulla Nasreddin:
There is a proverbial character in Persian folklore called Mulla Nasreddin.
 "Legend has it that one day Mulla Nasredddin took his old moribund donkey to the market for sale. He extolled the attributes of his donkey so much that at once he said, why am I selling such a good donkey and rode the animal back home.

Mulla Nasreddin is a funny character but not a psychopath. The minds of the psychopaths, however, does not work the way normal minds work. Their logic is distorted and their reality is twisted. Their value system is completely
different from the rest of the people. Have you ever wondered why someone would break a window of your car that cost you hundreds of dollars to replace just to steal a few coins? You wonder about this person's total lack of conscience. How can he cause you so much damage for such an insignificant reward? It makes no sense. But the truth is that your values are distinct from his. He has no conscience. May be his brain is damaged by drugs. He does not think about you at all. You and your losses simply do not enter into his equation."
Hier wird einem Narren eine Art Psychopath gegenübergestellt.

Encomium Moriae. Encomium ist die Lobrede und moriae? Im Stowasser finde ich morio, morionis übersetzt mit Narr, Hofnarr, Krüppel, Gaukler, Witzbold.
Schätze dass moriae der zweite Fall Mehrzahl ist. Dann wäre die korrekte Übersetzung: Lob der Narren bzw. Lob der Narrheiten. Wie falsch liege ich damit?

Auf jeden Fall neigt sich die Waage zugunsten der Narrheit, also Encomium Moriae ist korrekt übersetzt mit Lob der Narrheit und nicht mit Lob der Torheit, wobei an zu merken ist, dass in deutschen Landen ja sowieso niemand zu wissen scheint was Torheit ist, wenn's auch im Lexikon nicht steht und  überall  statt  Narrheit  das Wort Torheit verwendet wird obwohl eh' niemand weiß was das eigentlich ist.

Es wird da wohl recht cool ein Wort verwendet wofür manfrau die Bedeutung vergessen hat oder welches manfrau nicht mehr braucht und nicht für wichtig hält und es eigentlich überhaupt nicht versteht. Das zeigen ja auch die Ergebnisse der obigen Google Suche. Oder aber auch Torheit wäre so selbstverständlich geworden, dass sie von niemandem wahrgenommen wird.

In einer Gesellschaft wo ein Staatsmann sagen kann: "ICH esse gerne Bananensplitt und das ist gut so!" und alle Müsliesser schweigen nun dann...

Wertfreies objektives Philosophieren scheint da auch nur Dunst wahr zu nehmen. Klar, denn das was christlicher Fundamentalismus als Unterscheidung der Geister bezeichnet ist der Philosophie fremd soweit es nicht um explizite Rassismen, Sexismen, Fundamentalismen oder um den Nationalsozialismus geht wo immer gewisse warnende und bedenkliche Worte bzw. sogar Gedanken passend sind.

Erasmus von Rotterdam war Zivilisator und nicht Primitivator. Er spottete der Kirche und ihrer Würdenträger und verdiente es nicht in die Tasche der Humanisten gesteckt zu werden. Denn keine humanistische Forderung kann besser sein als diejenige den Mitmenschen, den Nächsten zu lieben und andere so zu behandeln wie manfrau selber behandelt werden möchte.
Und das sind quasi göttliche Forderungen (Forderungen von Gott) die wir mehr oder weniger in allen größeren Weltreligionen finden als Empfehlungen der Weisheit.

Religiosität gleich gesetzt mit fanatischem Aberglauben und als potentielle Gefahr für Welt, Menschenrechte und sonst was ist ein Dogma des fundamentalen Atheismus der in Europa mehr oder weniger zur praktischen gültigen Religion wird.

Europa ist nicht (mehr) christlich und manche Atheisten mögen nun sagen: "Gott sei Dank". Wenn es versäumt wird Gott in die europäische Verfassung hinein zu schreiben wird es wahrhaftig schauerlustig zu sehen sein wie das Projekt Europa den Bach hinunter geht. Das ist leicht voraus zu sehen. Aber mehr davon an andrer Stelle. Punkto Bananensplitt noch: es gab da mal eine Bananensplitt Kultur namens Odom und Ommora oder so ähnlich. War aber kein sonderlicher Höhepunkt gesellschaftlichen Daseins. Oder ist Vergangenheit unser Schicksal?

Deshalb: Gott muss in die europäische Verfassung rein.

Und da wir gerade beim Thema Europa sind. Das derzeitige Projekt Europa ist ein Selbstbeschäftigungsprogramm von Politikern für Politiker natürlicherweise. Das Phänomen ist bekanntes Akademiker- und Wissenschaftsmarketing. Sie finden immer etwas das sie selbst wichtig  und notwendig macht zur Erhaltung ihrer Plätze an den Speisetischen (blanke biologische Notwendigkeit, das Gehirn wird eingesetzt als Auslesekriterium, also Kinder lernt's brav!). Schon vor 10 Jahren hätte die Gesetzgebung für eine (englische) Einheitssprache in Europa stattfinden bzw. durch gezogen werden müssen. Aber Phantasie<--->Türme bauen a la Babel war halt schon immer wichtiger.

Encomium Moriae.
Lob der Narrheit oder der Torheit?
Wer ist Narr oder Tor?

Summa Summarum: Narr ist jemand, der sich bewusst ist, dass er/sie  Narr ist, dass er/sie eine bestimmte Rolle spielt. Narrheit ist auch bewusste Aktion. Der Tor ist sich seiner Torheit nicht bewusst. Er/sie schlittert durch seine/ihre Torheit in Situationen durch die er/sie eigen verschuldet in Schwierigkeiten gerät, weil er/sie gewissermaßen grundlegende Dinge nicht 'checkt'. Narrheit birgt in sich intelligente Herausforderung und Witz, die Torheit hingegen eher Dummheit und fehlendes Einschätzungsvermögen.
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